Ares Kalandides ist seit 1990 als Stadtplaner und Berater im Bereich Stadtentwicklung und Standortmarketing in Berlin tätig. Er hat zahlreiche Projekte auf nationaler und internationaler Ebene durchgeführt und -als Gründer und CEO des Beratungsunternehmens INPOLIS– unterschiedlichste Viertel, Städte und Regionen in Deutschland und weltweit beraten. Er leitet das „Institut of Place Management“ (Manchester) und gehört zum Redaktionsteam des „Journal of Place Management and Development“. Derzeit ist er Professor im Lehrbereich Metropolitan Studies an der NYU Berlin. Er schreibt für den Blog „Places“.

In einem Interview mit Rethinking Greece spricht Ares Kalandides über die deutsch – griechischen Beziehungen, kommentiert den aktuellen Diskurs über die Krise und erklärt, wie Griechenland seinen beschädigten internationalen Ruf wiederherstellen kann.

Kalandides behauptet, dass das Bild Griechenlands in Deutschland zwischen Bewunderung für das klassische Griechenland und Verachtung (oder auch Ignoranz) gegenüber der modernen griechischen Kultur schwankt. Irgendwo in der Mitte liegen Vereinfachungen und typische Klischees: Ouzo, Souvlaki, Retsina und Syrtaki vor dem Hintergrund des hellen Himmels, des blauen Meeres und der weißen Inselhäuser.

Die Migrationswelle nach Deutschland seit 1950 habe den direkten Kontakt zwischen Griechen und Deutschen bewirkt, betont Kalandides. Der Gastarbeiter personifiziere den gering qualifizierten Griechen, der in Deutschland eingewandert sei, um in den Industriegebieten des Landes zu arbeiten, habe aber seine Sitten und Bräuche, seine fremdartige Musik und eine neue kulinarische Tradition mitgebracht.

Seit Ausbruch der Krise herrsche laut Kalandides eine „orientalistische“ Betrachtungsweise: Berichte über Faulheit, mangelnde Disziplin, Verschwendung und Betrug; Kennzeichen, die nicht zuletzt einer viel breiteren geographischen Region (den südeuropäischen Ländern, dem Balkan, der arabischen Welt und dem sogenannten „ globalen Süden“) zuzurechnen seien.

Auf der anderen Seite sei das Image Deutschlands in Griechenland durch drei Faktoren geprägt: a. die Monarchie in den ersten Jahren des neugegründeten Staates, b. die Deutsche Besatzung und die Gräueltaten während des II. Weltkrieges und c. die Massenmigration nach Deutschland und der Massentourismus in Griechenland der Nachkriegszeit. Die Deutschen würden nun in Griechenland mit einer Mischung aus Bewunderung, Furcht und Hass angesehen. Ihre Organisationsfähigkeiten, ihre technologische und wirtschaftliche Kraft, ihre Disziplin und Sparsamkeit seien beneidenswert; ihr blinder Gehorsam gegenüber den Regierenden und ihr Geiz seien zu verspotten; ihre Arroganz und Überlegenheit machten Angst. Der Hass lasse sich immer noch aus einer unbewältigten NS-Geschichte ableiten, fügt Kalandides hinzu und betont, dass die Krise daran nicht viel geändert habe.

Hinsichtlich des durch einige deutsche Medien etablierten Diskurses über die „faulen Griechen“ macht Kalandides klar, dass im Zuge der Krise das Stereotyp der faulen Griechen und der hart arbeitenden Deutschen sich derart verbreitet habe, dass sogar hochrangige Beamte –unter ihnen die Bundeskanzlerin- darauf nicht verzichtet hätten. Diese Lüge sei systematisch wiederholt worden, obwohl sie sich durch eine Reihe von Fakten und Statistiken als unrichtig erwiesen habe.

In Bezug auf die Frage, ob eine Nationalstrategie die Darstellung eines Landes durch die Medien beeinflussen könne, betont Kalandides, dass dies nur in einem gewissen Ausmaß geschehen könne. „ Die Berichterstattung der deutschen Medien zu Griechenland seit 2010 ist nicht auf fehlende Informationen sondern auf eine konkrete Strategie zurückzuführen“ so Kalandides. Vor diesem Hintergrund misst er einer nationalen (Gegen)Strategie große Bedeutung bei und macht folgenden Vorschlag: Die griechischen diplomatischen Vertretungen im Ausland und die griechischen „Ex-pats“ könnten ihre Kräfte bündeln und als Netz für die Verbreitung differenzierter Botschaften dienen. Der kulturellen Diplomatie sei hier eine besondere Rolle zuzumessen: So könnte z.B. das sich aus der „Dokumenta 14“ ergebende Momentum eine einmalige Chance bieten, in Deutschland ein positives Griechenland-Bild zu vermitteln.

Unabdingbar sei für Griechenland das sogenannte “Reputationsmanagement”, zumal der Ruf des Landes einen schweren Schlag erlitten habe. Zu beachten sei jedoch, dass dieser Schaden zum Teil der Wirklichkeit entspreche, zum Teil politisch motiviert sei und zu einem dritten Teil mündlich weitergegeben werde. Im ersten Fall müsse man hart an der Realität arbeiten, um dem schlechten Ruf entgegenzuwirken; falls politische Motive zu erkennen seien, dann liege die Lösung in der Politik; das, was sich beeinflussen lasse, sei die „Mund-zu-Mund-Propaganda“, ist Kalandides überzeugt. Das soll konkret heißen, dass man eventuelle Verbündete unter verschiedenen Institutionen, Informationszentren und anderen Multiplikatoren finden und eine umfassende und koordinierte diplomatische Strategie entwickeln müsse. Dieses Anliegen stelle eine komplexe Herausforderung dar, die keine kleine Gruppe sondern eine multidisziplinäre „Taskforce“ meistern könne, erklärt Ares Kalandides im Interview mit Rethinking Greece.

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