Das griechische Parlament stimmte gestern mit sehr großer Mehrheit für eine Vorlage von Parlamentspräsident Nikos Voutsis, mit dem die griechische Regierung aufgefordert wird, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten, was die Entschädigungszahlungen für die im Ersten und Zweiten Weltkrieg erlittenen Kriegsschäden und -verbrechen von Deutschland anbelangt. Die griechische Regierung wird zunächst eine entsprechende Verbalnote der Bundesregierung übermitteln.

In seiner Rede vor den Abgeordneten des Griechischen Parlaments betonte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras u.a.: „Die Forderung von Reparationszahlungen ist für uns eine historische und moralische Pflicht“. Parlamentspräsident Voutsis möchte auch alle europäischen Parlamente über die gestrige Resolution des Griechischen Parlaments informieren.

Man muss beachten, dass es zwei verschiedenen Reparationsforderungen von Seiten Griechenlands gibt: Zunächst die Rückzahlung einer Zwangsanleihe in Höhe von 476 Millionen Reichsmark, welche die Athener Zentralbank 1942 an die Nazis zahlen musste. Die andere Reparationsforderung ist viel heikler, weil es hier einfach um mehrere Menschenleben geht.

Den Besatzern zufolge verloren zwischen Juni 1943 und September 1944 30.000 Griechen ihr Leben „im Kampf“. Einem Bericht der griechischen Regierung zufolge, der bei den Nürnberger Prozessen vorgelegt wurde, brachten die deutschen Besatzungsstreitkräfte etwa 91.000 griechische Geiseln um. 800 Dörfer bzw. Kleinstädte wurden verwüstet, Orte, die heute symbolhaft für Nazi-Terror während der Besatzungszeit 1941-1944 stehen: Giannitsa, Viannos, Kontomari, Alikianos, Anogia, Chortiatis, Kommeno, Klisoura, Mesovouno, Kerdyllia, Paramythia und Lyngiades.

Gemessen an der Opferzahl fand die schlimmste dieser sog. Vergeltungsaktionen am 13. Dezember 1943 in Kalavryta statt: Die gesamte männliche Bevölkerung zwischen 16 und 65 wurde von der 117en Jägerdivision hingerichtet und die Stadt anschließend in Brand gesteckt. Insgesamt kostete die „Operation Kalavryta“ mehr als 700 Menschenleben, darunter das von 22 Frauen und Kindern. Eine weitere Gräueltat ist die Ermordung von mehr als 700 griechischen Widerstandskämpfern an der Hinrichtungsstätte von Kessariani von Ende Mai 1942 bis Oktober 1944. Dann Distomo: In diesem Dorf brachte 1944 eine SS-Einheit 218 Bewohner um. Diese ungeheuerlichen Verbrechen, allenfalls repräsentativ für das griechische Leid, wurden in Deutschland lange Zeit nicht wahrgenommen. Ein Detail sollte man noch erwähnen: Die Bundesrepublik zahlte 1960 auch Globalentschädigungen, darunter an Italien 40 Millionen Mark und an Griechenland 115 Millionen.

Nun will Griechenland von Deutschland Entschädigungszahlungen für im Ersten und Zweiten Weltkrieg erlittene Kriegsschäden und -verbrechen einfordern.Das griechische Parlament stimmte gestern mit sehr großer Mehrheit für eine entsprechende Vorlage, mit der die griechische Regierung aufgefordert wird, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten. Demzufolge will Griechenland 290 Milliarden Euro von Deutschland verlangen.  (AC, AL)