Das archäologische Museum von Thessaloniki feierte vor wenigen Tagen das 60jährige Bestehen. Es wurde am 27. Oktober 1962 eingeweiht, als Thessaloniki des fünfzigsten Jahrestags seiner Befreiung von dem osmanischen Joch gedachte. Dieses Jahr vergegenwärtigt eine besondere Ausstellung unter dem Titel „60 Jahre – 60 Momente“ die Geschichte des ältesten archäologischen Museums in Nordgriechenland.
Mit der Ausstellung „Archäologisches Museum Thessaloniki: 60 Jahre – 60 Momente“ blättern wir durch die neuere Geschichte der zweitgrößten griechischen Stadt. Es werden sechzig charakteristische Momente ausgewählt. Die Erzählung der Ausstellung folgt einem dokumentarischen Weg, welcher 1962 beginnt, sich über sechzig Jahre erstreckt und bis in die Gegenwart reicht. Es wird uns klar, dass um diese Linearität ein komplexes Netz gewebt ist, das auf dynamische Weise die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet. Anhand wichtiger Highlights des Archäologischen Museums Thessaloniki (AMTH) erfolgt die Erschließung der Stationen der Museumsgeschichte durch die Erzählungen von „Mikrogeschichten“, welche mit Projektionen und Rückblenden in die Vergangenheit nicht nur die Zeiten, sondern auch die Stadt und das Museum miteinander verbindet, sowie die Ereignisse und das Klima jeder Epoche widerspiegelt.
Nur fünfzehn Tage nach der Befreiung Thessalonikis im Jahre 1912 wurde das Amt für Altertümer gegründet, und sowohl die Archäologen als auch die Tagespresse betonten immer wieder die dringende Notwendigkeit, ein archäologisches Museum in der Stadt einzurichten. Bis 1925 wurden die archäologischen Exponate an verschiedenen Orten aufbewahrt: im Diikitirio, im Weißen Turm, in einer ehemaligen osmanischen Schule oder in der Rotunde. Die Vorschläge, eines dieser Gebäude in ein Museum umzuwandeln, wurden nach und nach aufgegeben. Wirtschaftliche, administrative Gründe, aber auch historische Umstände wie der große Brand von 1917, der Thessaloniki fast vollständig zerstörte, der Erste Weltkrieg und die Kleinasien-Katastrophe haben Thessaloniki jahrelang eines seiner Geschichte würdigen Museums beraubt. Der Bau eines neuen modernen Museums, das geeignet wäre, die Altertümer der Stadt zu beherbergen, ein Bedarf von mehreren Jahrzehnten, begann erst 1961 und wurde 1962 abgeschlossen. Das Gebäude, das die architektonische Moderne der 60er Jahre widerspiegelt, wird nach den Plänen des angesehenen Architekten Patroklos Karatinos errichtet.
Die Komposition basiert auf einem zentralen Innenhof, um den sich zwei umlaufende Flügel ausstrecken. In dem Gebäude, das sich durch seine strenge Form und die Ästetik seiner Räumlichkeiten auszeichnet, werden Elemente der Moderne und der griechischen antiken klassischen Architektur harmonisch kombiniert. Im Jahr 2001 wurde das Museumsgebäude als besonders wichtiges Beispiel für die Architektur öffentlicher Gebäude der Stadt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter Denkmalschutz gestellt.
Im Mittelpunkt dieses Museumsdesigns steht immer der Mensch, als Schöpfer der antiken Artefakte, aber auch als Besucher, der das moderne Museumserlebnis in einer freundlichen Umgebung sucht, in welcher die Pedanterie vermieden wird und die Kreativität sowie die Interaktion gefördert werden. Von Anfang an war es das Ziel, ein Museum für alle zu erschaffen. Mit Sammlungen, die mehr als 50.000 Objekte umfassen, welche nicht nur aus Ausgrabungen aus Thessaloniki, sondern auch aus ganz Nordgriechenland stammen, ist es ein Museum der Metropole, das „Nationale Archäologische Museum von Nordgriechenland“, wie der große Archäologe Manolis Andronikos (1919–1992, bekannt für die Entdeckung der Königsgräber von Vergina der Makedonen im Jahr 1977) bereits 1974 erwähnte.
Einer der wertvollsten Schätze des Museums, eine Schöpfung von hohem technischen Know-how und perfekter Ausführung, ist der Krater von Derveni. Mit einer Höhe von 90 cm und einem Gewicht von 40 kg ist es das größte Reliefmetallgefäß der klassischen griechischen Antike. Auf der Oberfläche des gewundenen Kraters ist kühn und einfühlsam eine Hymne an den Gott Dionysos und die Allmacht der Natur dargestellt: eine seltene Darstellung der heiligen Vermählung des Gottes mit Ariadne, umrahmt von Tänzerinnen, wilden und zahmen Tieren, Weinreben und Efeuzweigen. Der Krater stammt aus den Jahren 330-320 v. Chr. und wurde wahrscheinlich in einer mazedonischen Werkstatt von einem mit attischer Kunst vertrauten Künstler hergestellt. Das Bronzegefäß hat, obwohl es keine Spur von Gold enthält, aufgrund des sehr hohen Anteils der Kupfer-Zinn-Legierung eine intensiv goldene Farbe.
Der erste griechische Eintrag in die internationale UNESCO-Liste „Memory of the World“ im Oktober 2015 war der Papyrus von Derveni. Dieses einzigartige Objekt, das älteste Buch Europas, wurde 1962 auf den Platten von Grab A in den Überresten des Scheiterhaufens gefunden. Der gerettete Teil des Papyrus ist der obere Teil eines Zylinders, der ursprünglich eine Gesamtlänge von etwa drei Metern hatte. Anton Fackelmann, ein spezialisierter Papyrus-Konservator, montierte 266 Fragmente der Papyrusblätter auf Glasplatten und schuf so neun „Gemälde“, die im Museum ausgestellt sind. Inhaltlich bewegt sich das Buch zwischen Theologie und Philosophie. Der Autor interpretiert allegorisch eine orphische Hymne, die offenbar die Riten der Mystiker begleitete, für welche das Buch bestimmt war. Der Papyrus wurde zwischen 340 und 320 v. Chr. geschrieben, aber das Werk, das er kopiert, ist etwa ein Jahrhundert älter (420-410 v. Chr.). Der Autor des Buches war wahrscheinlich Euthyphron aus Prospalta Attica, ein Seher und Theologe, ein Zeitgenosse von Sokrates.
Eines der schönsten Exponate stellt ein Mosaikboden dar, der im Zentrum von Thessaloniki freigelegt wurde. Er gehörte zum Bankettsaal einer luxuriösen Stadtvilla. Die zentrale dargestellte Szene zeigt Gott Dionysos, der mit seinem Gefolge (Satyre, Silenen, Mänaden) in Naxos ankommt. Er nähert sich seiner zukünftigen Frau Ariadne. Im Hintergrund taucht hinter einem Felsen ein geflügelter Eros auf. Die zwei kleineren Darstellungen, die den Boden schmücken, zeigen zwei Szenen amouröser Verfolgung. Auf dem einen sind es wahrscheinlich Apollo und Daphne, während auf dem anderen Zeus, in einen Adler verwandelt, den jungen Ganymed ergreift. Die Wahl des zentralen Themas ist nicht zufällig. Die Verehrung des Natur- und Fruchtbarkeitsgottes Dionysos wird mit Lebensfreude in Verbindung gebracht und war bei den oberen Gesellschaftsschichten der Stadt sehr beliebt. Das Mosaik, das Werk eines erfahrenen Handwerkers, stammt aus der Zeit zwischen 200 und 250 n. Chr. und spiegelt den Reichtum und den sozialen Status der Besitzer des Luxushauses wider.
Das Archäologische Museum von Thessaloniki beherbergt die weltweit größte und reichste Sammlung von Goldkronen aus der klassischen und hellenistischen Epoche. Goldene Kränze imitieren die der Natürlichen aus Blättern, Früchten und Blüten verschiedener Pflanzen wie Myrte, Eiche, Olive, Lorbeer und Efeu. Goldene Kränze erscheinen in Mazedonien um den Beginn des 4. Jahrhunderts und sie erfahren eine sehr weite Verbreitung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Die meisten von ihnen stammen aus reichen Gräbern, sowohl von Männern als auch von Frauen, die zweifellos der mazedonischen Aristokratie angehörten. Sie waren wertvolle Gegenstände, die bei Hochzeiten, Banketten und anderen formellen Veranstaltungen aus privatem oder öffentlichem Anlass getragen wurden. Kränze wurden auch von Priestern und Personen getragen, die an religiösen Zeremonien teilnahmen, sowie von Personen, welche in die Mysterien eingeweiht waren. Der eindrucksvollste Goldkranz dieser Sammlung stammt wahrscheinlich aus einer heimlichen Ausgrabung eines Grabes in Zentralmakedonien und wurde als Antiquitätenprodukt illegal gehandelt. Nach systematischer und beharrlicher Recherche wurde er im J. Paul Getty Museum in Los Angeles ausfindig gemacht und 2007 in seine Heimat zurückgebracht.
Es ist einer der am reichsten verzierten Kränze, die aus der Antike erhalten sind. Die 135 blühenden Myrtenblüten sind sehr detailliert und naturgetreu wiedergegeben. Einige Blütenblätter sind mit grüner und blauer Emaille verziert, während die goldenen Staubblätter in Gold- oder Glaskugeln von blauer oder weißer Farbe enden, wodurch mit dieser Mehrfarbigkeit ein einzigartiger ästhetischer Effekt entsteht, der den modernen Betrachter beeindruckt und bewegt.
In der alten Stadt von Thessaloniki gab es mehr als nur eine Synagoge, was durch die Dynamik der jüdischen Gemeinde der Stadt seit der Antike bestätigt wird. Bei Ausgrabungen wurde ein Marmorsarkophag gefunden. Aus der Inschrift auf seiner Vorderseite entnehmen wir, dass der Verstorbene Mitglied der ersten griechischsprachigen jüdischen Gemeinde der Stadt war, einer der wichtigsten auf der ganzen Balkanhalbinsel.
Ausstellungsdauer: bis zum 31. Oktober 2023
https://www.amth.gr