Am Mittwoch, 10. Februar 2016, veranstaltet das Generalsekretariat für Information und Kommunikation eine spannende Diskussion mit dem renommierten REUTERS-Fotografen Yannis Behrakis, der im Dezember 2015 von der „Guardian“ als „Fotograf des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Yannis Behrakis hat jahrelang zahlreiche Krisen auf der ganzen Welt mit seiner Kamera dokumentiert. Nicht zuletzt hat er als Fotojournalist die Entwicklung der anhaltenden Flüchtlingskrise in Griechenland miterlebt. Über seine Erfahrungen und die Herausforderungen seiner Arbeit spricht er am 10. Februar um 13.00 Uhr in den Räumlichkeiten des Generalsekretariats für Information und Kommunikation.
Im Vorfeld der Veranstaltung hat er auf Fragen der Redaktionen der fremdsprachigen Magazine, die vom Generalsekretariat veröffentlicht werden, geantwortet.
Sie arbeiten seit mehr als 25 Jahren als Fotojournalist. Wie hat alles angefangen?
Grundsätzlich ist alles auf meinen Traum zurückzuführen, die Menschen zu verstehen und fremde Orte und Kulturen zu entdecken. Mit 24 Jahren habe ich mich entschieden, Fotografie zu studieren und sie zu benutzen, um meinen Traum zu verwirklichen. Ich habe etwa ein Jahr lang als Fotograf im Werbebereich gearbeitet und eine gute Karriere aufgebaut. Dann ging ich eines Tages im Jahre 1984 ins Kino, um mich den Film „Under fire“ mit Gene Hackman und Nick Nolte anzusehen. Der Film basiert auf der wahren Geschichte eines Journalisten und eines Fotografen, die in den 80er Jahren über die Entwicklungen in Nicaragua berichteten. Dort machte der Fotograf Fotos von Soldaten, die seinen Kollegen erschossen. Unter Einsatz seines Lebens gelang es ihm, das Fotomaterial in die USA zu bringen, wo es im nationalen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Infolgedessen wurde ein Wechsel der US-Außenpolitik gegenüber Nicaragua herbeigeführt. Innerhalb eines Monats wurde Diktator Somoza gestürzt und die Gerechtigkeit in Nicaragua wiederhergestellt. Als ich an diesem Abend aus dem Kino ging, wusste ich genau, was ich aus meinem Leben machen wollte. Ich bin fest davon überzeugt, dass richtig praktizierter Fotojournalismus und Journalismus die Welt verbessern können.
Gibt es eigentlich ein Foto oder einen Tag in ihrem Arbeitsleben, die Ihnen stark in Erinnerung geblieben sind? Wenn ja, inwiefern haben sie Ihre Lebensperspektive verändert?
Viele Momente und Tage und Bilder; und ich hoffe, dass viele mehr vor mir liegen.
Sie waren an vorderster Front in Kriegen auf der ganzen Welt mit dabei und haben Verbrechen, Völkermorde, Tod und Verzweiflung miterlebt. Haben Sie schon einmal daran gedacht, eine Gräueltat mit ihrer Kamera nicht festzuhalten?
Meine Aufgabe ist es, alle Momente von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit mitzuerleben und zu teilen.
Sie haben das Flüchtlingsdrama weltweit miterlebt. Jetzt entwickelt sich das Drama in ihrem Land und Sie sind mit dem Preis „Guardian’s Photographer of the Year“ für ihre atemberaubenden Fotos ausgezeichnet worden. Wie herausfordernd war es für Sie, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen? Was halten Sie von Initiativen, wie der Nominierung der griechischen Inselbewohner für den Nobelpreis?
Die emotionale Wirkung war verheerend. Ich litt unter Alpträumen und Schlaflosigkeit. Manchmal hatte ich Schuldgefühle, weil ich nicht imstande war, mehr zu tun, um diesen Menschen zu helfen. In den letzten 25 Jahren war ich Zeuge der Flüchtlingsströme in verschiedenen Orten auf der ganzen Welt und ich bin mir ganz bewusst, wie schwierig es für die Mehrheit dieser Menschen ist, vor Krieg, Armut und Verfolgung zu fliehen. Letztendlich hat sich meine Erfahrung mit dem Dokumentieren der Flüchtlingskrise im vergangenen Jahr sehr gelohnt. Ich habe noch einmal herausgefunden, dass Menschlichkeit noch am Leben ist. Tausende von Griechen und Ausländern strömten nach Griechenland, um Hilfe zu leisten. Millionen Menschen haben weltweit auf die eine oder andere Weise geholfen. Viele Flüchtlingshelfer haben eingeräumt, dass meine Fotos und die Fotos anderer Kollegen sie motiviert hätten, sich dafür zu engagieren. Europa steht laut den Vereinigten Nationen vor der größten Migrationskrise seit dem II. Weltkrieg und die Anzahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, betrug letztes Jahr mehr als 60 Millionen. Ich glaube, diese Massenbewegung ist eine wichtige Nachricht für die ganze Welt, von den einfachen Menschen in Asien bis zu den Großkonzernen in Europa. Eine Bewegung in einer solchen Größenordnung lässt die menschliche und kulturelle Landschaft unserer Welt weiterentwickeln.
Wie begegnen Sie der Kritik, die manchmal an Fotojournalisten geübt wird, dass sie sich auf ihre Aufgabe konzentrieren statt den Menschen in Not zu helfen? Gibt es einen Ethik-Kodex für Fotojournalismus? Wo ziehen Sie die Grenze?
Wenn ich überzeugt bin, dass ich praktische Hilfe leisten muss, tue ich es ohne Verzögerung. Ich glaube, das gilt auch für die Mehrheit meiner Kollegen. Wenn z.B. ein Flüchtlingsboot unter normalen Verhältnissen die Küste erreicht, die Retter und Freiwilligen vor Ort Hilfe leisten und die Flüchtlinge keine unmittelbare Gefahr laufen, dann kann ich ruhig Fotos machen. Ich weiß, dass diese Fotos viele Menschen motiviert haben, sich für die Flüchtlinge einzusetzen. Das ist meine Aufgabe und meine Arbeit basiert auf meinen eigenen Prinzipien sowie auf den höchsten Prinzipien des Journalismus.
Haben Sie noch heute das Gefühl, dass Sie sich in „unbekannte Gewässer“ begeben? Haben Sie schon mal daran gedacht, Ihre Mission aufzugeben?
Ich liebe es, in „unbekannte Gewässer“ zu geraten; leider werde ich eines Tages darauf verzichten müssen; ich hoffe dennoch, dass ich andere inspirieren kann, ihr Werk fortzusetzen.
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