Der Elfenbein Verlag wurde 1996 in Heidelberg von Ingo Držečnik und Roman Pliske im Zuge ihrer Tätigkeit als Herausgeber des Literaturmagazins Metamorphosen begründet.
2001 erfolgte die Umsiedlung des Verlags nach Berlin, wo er bis heute ansässig ist. Der Elfenbein-Verlag gehört zu den herausragenden, jüngeren unabhängigen deutschen Verlagen.
Griechenland Aktuell sprach mit Ingo Držečnik:
Herr Držečnik, Sie leiten einen kleinen, aber renommierten und unabhängigen Literaturverlag. Möchten Sie uns von der Gründung des Verlages und seinen bisherigen Tätigkeiten erzählen?
Den Elfenbein Verlag habe ich 1996 als Student der Germanistik zusammen mit einem Kommilitonen gegründet. Wir wollten damals zunächst nur ein einziges Buch verlegen, den Gedichtband „Unterderhand“ eines befreundeten Lyrikers, Andreas Holschuh, den wir bei unserer Arbeit an dem studentischen Literaturmagazin „metamorphosen“ kennenlernten und dessen Gedichte wir sehr schätzten. Pläne für ein größeres Programm oder gar für eine Profilierung hatte es gar nicht gegeben, aber kaum war das erste Buch publiziert, erreichten uns natürlich Manuskripte, und wir planten dann doch ernsthafter. Recht früh erhielten wir auch unaufgefordert Vorschläge für Übersetzungsprojekte, das erste interessante stammte aus dem Portugiesischen, was dann gewissermaßen zufällig zu einer ersten Andeutung eines „Profils“ führte, als wir 1997 zum Themenschwerpunkt Portugal auf der Frankfurter Buchmesse eben zwei „Portugiesen“ präsentierten: eine Wiederentdeckung aus der Zeit der Jahrhundertwende — António Botto — und einen zeitgenössischen Autor — José Riço Direitinho. Dieser doppelte Blick auf die Literatur, einerseits in die Vergangenheit, andererseits in die Gegenwart, wurde bald dann zum Elfenbein-Konzept für alle Literaturen, auch für die deutschsprachige. Die Literaturkritik hat unsere Arbeit von Anbeginn begleitet, und die Ausrichtung auf Wiederentdeckungen war sicher auch ein Schlüssel für das überregionale Feuilleton. So publizierten wir zwischen 1998 und 2002 eine mehrbändige Werkausgabe des Expressionisten Klabund, die in allen großen deutschsprachigen Tageszeitungen besprochen wurde, später kamen Werkausgaben der Renaissance-Poeten Luís de Camões und Pierre de Ronsard hinzu, die ebenfalls zu großen Achtungserfolgen führten. Den größten Erfolg habe ich aber mit der deutschen Übersetzung der 12-bändigen Romanreihe „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ von Anthony Powell erzielen können, die seit Oktober 2015 sukzessive in deutscher Übersetzung erscheint und dem Verlag endlich auch die notwenigen finanziellen Mittel verschafft, die sich leider nicht zwangsläufig durch einstellen.
Sie sind der einzige Verleger in Deutschland, der eine „Kleine Griechische Bibliothek“ mit literarischen Werken der heutigen griechischen Literatur aufgebaut hat. Eine sehr mutige und bewundernswerte Entscheidung. Wie sind Sie dazu gekommen?
Mit der Entscheidung, auch den Themenschwerpunkt Griechenland auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2001 publizistisch zu begleiten, fiel gewissermaßen der Startschuss für diese Bibliothek, auch wenn sie damals noch nicht diesen Namen trug und schon gar nicht programmatisch durchgeplant war. Auch hier führte wieder der Zufall die Regie, aber natürlich ein sehr glücklicher, denn mit der Bekanntschaft und mittlerweile Freundschaft zu Günter Dietz, der bereits in den 60er Jahren Odysseas Elytis kennenlernte und sein Hauptwerk „To Axion Esti“ ins Deutsche übertrug, begann ich mich auch persönlich intensiver mit griechischer Literatur zu beschäftigen. Über Dietz wiederum lernte ich Andrea Schellinger kennen, die als Papadiamantis-Übersetzerin in Erscheinung getreten war, dann zusammen mit Dietz Jannis Ritsos’ „Zeugenaussagen“ für mich übersetzte und nun Giorgos Seferis’ „Logbücher“ neu überträgt, alle drei Zyklen. Auch bei „meinen Griechen“ verfolge ich das erwähnte Konzept, die Klassiker mit den Zeitgenossen zu vereinen: Neben Papadiamantis, Elytis, Ritsos, Seferis, Kazantzakis stehen deshalb auch Alexandros Adamopoulos, Giorgos Lillis u.a. in der „Kleinen Griechischen Bibliothek“, die bis heute auf zehn Titel angewachsen ist. Natürlich sind die Möglichkeiten eines kleinen Verlags, der im Jahr etwa sechs Novitäten publiziert und nicht nur griechische Literatur im Programm führen will, viel eingeschränkter als diejenigen der „Großen“, und die Auswahl ist naturgemäß auch vom Geschmack des Verlegers gekennzeichnet.
Sie planen nächstes Jahr das opus magnum von Nikos Kazantzakis, seine immense „Odyssee“ mit den 33.333 Versen in einer nahezu vergessenen deutschen Übersetzung neu zu veröffentlichen. Was hat Sie dazu bewegt?
Nun, in erster Linie ist es der erwähnte „Geschmack“, die Vorliebe für das Besondere, das andere Verleger vielleicht aus wirtschaftlichen Erwägungen eben nicht machen, das aber meines Erachtens gemacht werden muss, weil es Weltliteratur ist. Nikos Kazantzakis’ „Odyssee“ wurde ja bereits 1973 von Gustav A. Conradi ins Deutsche übersetzt und bei Kurt Desch publiziert. Diese Ausgabe ist aber seit Jahrzehnten vergriffen und nur antiquarisch und dazu sehr teuer zu bekommen. Sie hat kaum wirken können, kaum jemand in der deutschsprachigen Welt weiß heute noch von diesem Werk. Es handelt sich also um ein ganz eindeutiges Desiderat, das natürlich in die „Kleine Griechische Bibliothek“ gehört. Das sehen die Erben von Kazantzakis glücklicherweise genauso und haben mir deshalb das Verlagsrecht für eine deutsche Übersetzung übertragen. Die „Odyssee“ soll im März 2017 als zweisprachige Ausgabe erscheinen.