Michael Psalidopoulos, Ökonomieprofessor an der Athener Universität gab dem Team des englischsprachigen Magazins Greek News Agenda (www.greeknewsagenda.gr) ein Interview, welches hier in deutscher Sprache veröffentlicht wird:
Lesen Sie das Interview:
Ist der Tag für Griechenland tatsächlich ein neuer Tag, nachdem das Land die Spar- und Reformprogramme am 20. August 2018 hinter sich gelassen hat?
Der Tag danach ist tatsächlich ein anderer Tag, in dem Sinne dass die Finanzpolitik Griechenlands mehr Freiheit erlangt hat, welche Freiheit bis zum 20. August dieses Jahres nicht gewährleistet war. Natürlich die Pflichten gegenüber den Gläubigern wie die Überwachung der griechischen Wirtschaft (es gilt dies für andere EU-Mitgliedstaaten auch) werden weiterhin bestehen bleiben. Es wird aber nicht mehr Eingriffe in die Regierungspolitik geben.
Viele Experten sagen, dass Griechenland weitere Memoranden unterschreiben wird. Was braucht Griechenland Ihrer Meinung nach, damit das Land nicht mehr die finanzielle Unterstützung der Gläubiger benötigt?
Man muss, glaube ich, unterscheiden zwischen seriösen Experten und den selbsternannten Propheten. Jede Wirtschaft, die makroökonomische Schwierigkeiten hat, braucht ja oft die Hilfe internationaler Institutionen, um diese Probleme zu bewältigen. Griechenland muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft ein Gleichgewicht erreicht, so dass dann keine finanzielle Unterstützung von außen mehr vonnöten ist. Wir müssen die Entwicklungen beobachten und sofort handeln, damit wir das Schlimmste abwenden, wenn eine Gefahr da ist. Man muss den Problemen ins Auge sehen und die nötigen Reformen in der Finanzstrategie rechtzeitig in die Wege leiten. Dies ist höchste Priorität, auch wenn gewisse Interessen dadurch benachteiligt werden.
Einige Ökonomen und Analysten glauben, dass die Schulden Griechenlands nicht nachhaltig sind. Welche Meinung vertreten Sie?
Die nominale Verschuldung des Landes ist in der Tat enorm, etwa 180% des BIP.
Auf der anderen Seite ist ein überwiegender Teil (der Verschuldung) „europäisch“ und unterliegt nicht der täglichen privaten Spekulation, während der staatliche Finanzierungsbedarf des Staates für die Rückzahlung öffentlicher Schulden kontrolliert ist. Der liegt etwa bei 15 bis 20% pro Jahr. Die Eurogruppe hat vor kurzem beschlossen, die griechischen Schulden abzubauen und sich verpflichtet, weitere Maßnahmen dazu im Jahre 2033 zu ergreifen. Deswegen muss die Debatte auf das eklatante Wachstumsproblem (Wachstumsprozent) übergehen und von der theoretischen Suche nach der Tragfähigkeit der griechischen Schulden abweichen.
Glauben Sie, dass die griechische Wirtschaft in den kommenden Jahren in der Lage sein wird, sich den am weitesten entwickelten Länder der EU anzunähern?
Ich schätze, dass das mittelfristige Wachstum der griechischen Wirtschaft zufriedenstellend sein wird, trotz der Belastung durch die laufenden Steuern. Es gibt Schwierigkeiten, daran besteht kein Zweifel. Vor allem gibt es keine Möglichkeit für massive öffentliche Investitionen, die dem Land einen großen Impuls geben würden, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die langsameren Produktionsfaktoren zu nutzen. Der Glaube an die Fähigkeiten der privaten Initiative, damit diese ausschließlich zu einer schnellen Annäherung (Konvergenz) der griechischen Volkswirtschaft mit den anderen europäischen Volkswirtschaften führen wird, stolpert am großen Schock, den der private Wirtschaftssektor in Griechenland in den letzten acht Jahren erlitten hat. Die Erwartungen der griechischen Investoren stehen immer noch unter der Konstellation der Krise und der öffentliche Sektor sollte mehr tun, um private Investoren dazu zu ermutigen, Risiken einzugehen. Ich bin der Meinung, dass die europäischen Institutionen mittlerweile beginnen, dieses Problem zu erkennen.
(Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Archelaos P- & AL. Das Interview führte Marianna Varvarigou, Greek News Agenda)