Yannis Moralis wurde am 23. April 1916 in Arta geboren. Im Alter von 10 Jahren kam er nach Athen, wo er mit Ausnahme von wenigen Jahren den Rest seines Lebens verbrachte. Moralis war ein Wunderkind, denn mit 15 Jahren hatte er schon die Reife für ein Malereistudium an der Athener Kunstakademie erreicht. Er studierte dort bei bedeutenden Lehrern, wie Konstantinos Parthenis oder Yannis Kefallinós (vornehmlich die Gravierkunst).

Yannis Moralis/ Quelle: amna.gr

1936 zog er nach Rom, wo er nicht lange blieb, um dann anschließend nach Paris zu gehen, wo er sich der Fresco- und Wandmalerei widmete. Im Jahr 1947, mit nur 30 Jahren, was höchst ungewöhnlich für jene Zeit war, wurde er zum Professor an der Athener Kunsthochschule ernannt. Hier lehrte er jahrzehntelang und prägte mehrere Generationen von jungen, angehenden Malern.

Es ist besonders schwierig die Vielfalt und das reiche künstlerische Schaffen von Yannis Moralis in wenigen Zeilen zu erfassen. Er fing mit großen Portraits an, die sein Oeuvre in den 40er und 50er Jahren dominieren. Großformatige weibliche Akte, Landschaftsbilder, Interieurs, Stillleben verleihen seinem Werk in diesen Jahren Würde und Anmut und bezeugen von einer großen malerischen und figurativen Darstellungskraft. In den folgenden Jahrzehnten malte er hauptsächlich geometrische Figuren, welche strenge aber höchst plastische Formen nachweisen.

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Gemälde von Yannis Moralis, von links nach rechts: „Zwei Freundinnen“ (1946), „Selbstporträt“ (1938), „Figur“ (1951)/ Quelle: © Nationalgalerie – Alexandros Soutsos-Museum

Kostüm- und Bühnenbildentwürfe für das Griechische Nationaltheater, das Kunsttheater sowie für das Nationalballet erweiterten sein künstlerisches Schaffen. Das monumentale Wandrelief an der Stirnseite des Athener Hiltonhotels sowie Kunstwerke an der Metro-Station „Panepistimiou“ und am Athener Hauptbahnhof sind einige sehr bekannte Kunstwerke Moralis im öffentlichen Raum.

Yannis Moralis gehört der sogenannten „Generation der ´30er Jahre“ an, welche die griechische Kunst des vorigen Jahrhunderts revolutionierte und sie zu einer großen Blütenzeit führte. Moralis verband eine langjährige Freundschaft mit den bedeutenden Dichtern Giorgos Seféris (Nobelpreis für Literatur 1963) und Odysseas Elytis (Nobelpreis für Literatur 1979), dessen Bücher er kunstvoll illustrierte, sowie auch mit dem Komponisten Manos Hatzidakis, dessen Athener Wohnung er mit imposanten Wandmalereien ausschmückte.

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Yannis Moralis, „Dialog“ (1974)/ Quelle: © Nationalgalerie – Alexandros Soutsos-Museum

„Die große Rebellion der Kunst und der Poesie begann mit der Romantik. Anderthalb Jahrhunderte später sind die Künstler in den Kreislauf des Marktes aufgenommen und integriert worden. Sie sind nicht mehr als eine Schraube im Räderwerk der Finanzwelt“, stellt Octavio Paz resigniert fest.

Yannis Moralis gehört bestimmt nicht dazu. Er, wie auch die Hauptvertreter der „Generation der 30er Jahre“ bilden eine große Ausnahme, da sie gegen den Geschmack von Akademie und Bürgertum ein modernes Werk geschaffen haben, welches sich aus der reichhaltigen griechischen und der westlichen Tradition nährt und in mancher Hinsicht auch das Gewissen der griechischen Gesellschaft genannt werden kann. Moralis brachte mit seiner Malerei die verborgene Seite des heutigen Griechenlands eindrucksvoll ans Licht. Er wusste die griechische Antike mit der heutigen europäischen Kunst genial zu verbinden, ohne dabei diese komplementären Traditionen blind und in akademischer Weise nachahmen zu wollen.  

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Yannis Moralis, „Erotisch“ (1982)/ Quelle: © Nationalgalerie – Alexandros Soutsos-Museum

Für sein vielfältiges Werk bekam Yannis Moralis mehrere griechische und internationale Auszeichnungen. Er starb am 20. 12. 2009 in Athen. Er blieb bis zu seinem Lebensende kreativ und ungemein produktiv.            (AL)

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