Es ist wenig bekannt, dass der Schauplatz des berühmten Helena-Aktes von Goethes Faust Mystras ist. Goethe stützte sich auf die griechischen Reiseberichte und ließ Faust in seinem gleichnamigen Drama eine große Burg errichten. Als Vorlage diente ihm die Ruinenstadt Mystras, die besterhaltene mittelalterliche Stadt in ganz Griechenland.
Die im 13. Jh. durch fränkische Kreuzfahrer errichtete Felsenburg ist im Laufe der Zeit zu einer byzantinischen Stadt gewachsen, die man heute besuchen und in die mittelalterliche Zeit eintauchen kann. Mystras liegt ostwärts des Taygetos-Gebirges, nicht weit entfernt vom antiken Königssitz Sparta. Die ursprüngliche Burg von Mystras wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts von Guillaume de Villehardouin zum Schutz gegen die Slawen im Eurotas-Tal und die Lakonier aus der Taygetos-Gegend majestätisch gebaut.
1259 wurde Guillaume de Villehardouin von Michael Paläologos nach der verlorenen Schlacht von Pelagonia gefangen genommen. Wenige Jahre später, um das Jahr 1263, mußte er Mystras, Monemvasia und die Gegend von Mani als Preis für seine Freilassung den Byzantinern überlassen. Die ständigen Unruhen veranlassten die Bewohner von Lakonien dazu, immer öfters in der Festung Schutz zu suchen. So entstand allmählich die Stadt, welche als eine Ruinenstadt heute einzigartig da steht.
Wenige Jahre nach der Eroberung von Konstantinopel und der rapiden Auflösung des byzantinischen Reiches, eroberten die Türken im Jahr 1459 Mystras. Zwei Jahrhunderte später fiel die Stadt in die Hände der Venezianer. Der gewalttätige Einfall der Albaner im Jahr 1770, die Mystras zerstörten, setzte der Stadt schließlich ein Ende; sie wurde seither nicht mehr bewohnt. In der Blütezeit war Mystras ein bedeutendes kulturelles und religiöses Zentrum. In der ersten Hälfte des 15. Jh. lebten in Mystras der spätere Kardinal Wissarion, der neuplatonische Philosoph Georgios Gemistos Plithon und Hieronymos Charitonomos, ein Wissenschaftler, der auch später in Paris lehrte.
Die untere Stadt von Mystras / Foto: Ronny Siegel, Mystras – Lower City, CC BY 3.0
Mitropolis oder Metropolis, die Bischofskirche, ist dem hl. Demetrios geweiht und wurde Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut. Sie ist aus einem Vorgängerbau des 12. oder 13. Jh. entstanden. Eine Fußbodenplatte aus Marmor mit dem Doppeladler bezeichnet die Stelle, an der der letzte Paläologe bei der Krönung stand. Es gibt schöne und interessante Wandmalereien zu besichtigen. Bei der Kirche kann man auch ein kleines Museum mit Funden aus den Ruinen von Mystras besuchen. Das Peribleptos-Kloster, die Kirche der „bewunderten Allheiligen“ wurde während der Regierungszeit des Michael Katakusinós (1348-1389) erbaut. Man kann immer noch heute zwei Löwen über dem Eingangstor sehen, welche das alte venezianische Emblem waren. Die Fresken sind ohne Zweifel die schönsten von Mystras. Sie sind von zwei Malern ausgeführt worden, die der sogenannten »Kretischen Schule« angehörten. Über dem Altarraum bestaunt der Besucher die beeindruckende Darstellung der Himmelfahrt Christi. Von den Szenen des Dodekaorton (»zwölf Feste«) kann man noch die Kreuzabnahme, die Verklärung und die Geburt Christi sehen, alles einzigartig gemalt.
Das Pantanassa-Kloster ist der „Weltherrscherin“ geweiht. Es ist ein Nonnenkloster, das schönste überhaupt in Mystras, das immer noch in Betrieb ist. Es wurde um das Jahr 1365 erbaut und ist wenig später, etwa 1428 deutlich erweitert worden. Die Kirche weist gotische Einflüsse auf. Die Fresken sind sehr gelungen und beeindrucken durch die klare Linienführung. Die Himmelfahrt im Sanktuarium, der Einzug in Jerusalem im Mittelschiff mit einer Fülle an Details und bemerkenswerter Farbgebung, die sehr realistisch wiedergegebene Erweckung des Lazarus oder die Geburt Christi im südlichen Querschiff sind großartige Beispiele der byzantinischen Malerei des 15. Jh.
Das Pantanassa-Kloster / Quelle: © Ministry of Culture and Sports
Das Brontochion-Kloster: Die Hauptkirche, Afendiko genannt, wurde um das Jahr 1310 errichtet. Es handelt sich um eine Basilika-Form mit fünf Kuppeln. Die Wände sind mit Marmor verkleidet. Darüber Fresken, u. a. die Hochzeit von Kanaa und der Christus mit der Samariterin. An der Narthex sind später Kapellen angefügt worden.
Die Agia Sofia Kirche wurde um das Jahr 1350 von Manuel Katakousinos gestiftet. Sie ist ein Kreuzkuppelbau mit zweigeschossiger Vorhalle.
Die Agii Theodori Kirche ist schließlich die älteste Kirche von Mystras. Sie wurde vor 1296 erbaut. Man kann in der linken Kapelle Manuel Palaiologos, vor Maria kniend dargestellt und in der Kapelle rechts Fresken aus dem Leben Mariä bewundern. (AL)
Introbild: Der „Despotenpalast“ von Mystras / Foto: Aeleftherios, Mystras palace, CC BY-SA 3.0Aeleftherios, Mystras palace, CC BY-SA 3.0
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