Am 18. Februar 1883 wurde Nikos Kazantzakis in Heraklion / Kreta geboren. Er war stolz auf seine Heimat Kreta, wo er das Licht der Welt erblickte. Kreta war zu jener Zeit immer noch in türkischen Händen, was er in seinem Roman „Kapetán Michalis“ viel später meisterhaft dargestellt hat.
Als Nikos Kazantzakis fünfzehn Jahre alt war, entschieden sich seine Eltern, den einzigen Sohn der Familie nach Naxos in eine französische Handelsschule zu schicken, wo er französisch und italienisch lernte und wo seine geistige Frühreife auffiel. Später studierte er Jura an der Athener Universität und ging anschließend nach Paris, wo er neben dem juristischen Aufbaustudium auch bei dem berühmten französischen Philosophen Henri Bergson einige Semester lang die Vorlesungen besuchte. Von großer Bedeutung war während seines Studiums die Entdeckung des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche, welcher zu jener Zeit noch eher ein „Geheimtipp“ war. Das Werk Nietzsches übte einen nachhaltigen Einfluss auf den jungen Kazantzakis aus.
Zurück in Athen schloss er seine in Paris begonnene Dissertation ab und fing aus finanziellen Gründen an, große Werke der europäischen Literatur und Philosophie ins Griechische zu übersetzen. Die Übersetzungen und die journalistische Tätigkeit sah er weiterhin als seinen Beruf an, da es ihm nicht gelang, eine andere Arbeit zu finden. Hinzu kam noch seine gigantische schriftstellerische Arbeit, die jedoch zu jener Zeit eher auf Ablehnung stieß. Die andere große Liebe von Kazantzakis war das Reisen. Er war in seiner Zeit wohl der einzige griechische Autor der ausgedehnte Reisen unternommen hat: Europa, Russland, Nordafrika, Nahost, China, Japan sind einige Stationen seines unruhigen Geistes.
Die vielfältigen Erfahrungen all dieser Jahre sind in ein überwältigendes Epos geflossen, das den Titel „Odyssee“ trägt und an dem er fünfzehn Jahre lang unermüdlich arbeitete. Er schrieb dieses Riesenwerk in den Jahren 1924-1938. Es besteht aus 33.333 siebzehnsilbigen Versen und sucht seinesgleichen in der Weltliteratur. Sieben Mal wurde dieses riesige Werk umgeschrieben, bis es endlich im Jahr 1938 in einer großformatigen Buchausgabe erschien.
Die „Odyssee“ von Kazantzakis beginnt da, wo die homerische Odyssee endet. Die vierundzwanzig Gesänge des Riesenwerks sprengen nahezu jeden Rahmen. Mit über siebentausend speziellen Wörtern, die für einen heutigen griechischen Leser eher unbekannt und die nicht in einem Lexikon zu finden sind, Wörter aus allen Epochen der jahrtausendealten griechischen Sprache, mit Erfahrungen, mit Bildern, Metaphern und mit philosophischen Theorien stellt Kazantzakis das Leben des unruhigen Dysséas dar, dessen enorme Lebensfreude, Abenteuer und unkonventionelle Weltanschauung.
Wenig später hat Kazantzakis die homerischen Epen „Ilias“ und „Odyssee“ ins heutige Griechisch übersetzt. Die Übersetzung der „Divina Commedia“ von Dante ist die erste in Griechenland. Kazantzakis begann mitten im zweiten Weltkrieg an einem Roman zu arbeiten, der zu einem Welterfolg werden sollte. Alexis Sórbas, so der Buchtitel seines ersten Romans, spiegelt das wirkliche Leben von Giórgis Sórbas wieder, der zusammen mit dem Autor ein kleines Unternehmen auf der Peloponnes in der Zeit des ersten Weltkrieges gegründet hatte.
Das Unternehmen ging rasch zugrunde, aber der Protagonist dieser zauberhaften Geschichte ist bis heute lebendig geblieben, nicht nur wegen der erfolgreichen Verfilmung des Romans im Jahr 1964 mit der berühmten Musik von Mikis Theodorákis. Alexis Sórbas, das im Jahr 1946 zum ersten Mal in der griechischen Originalausgabe erschien, wurde rasch in fast alle europäische Sprachen übersetzt und machte seinen Autor über Nacht bekannt.
Seine weiteren fünf Romane und ein autobiographisches Buch, das unvollendet blieb und erst nach seinem Tod (am 26. Oktober 1957 in Freiburg im Breisgau/Deutschland) in Griechenland erschien, festigten seinen Ruhm als den wichtigsten und erfolgreichsten griechischen Autor des vorigen Jahrhunderts. Auch heute, nahezu fünfundsechzig Jahre nach seinem Tod, ist Nikos Kazantzakis der bekannteste griechische Autor. Seine Bücher wurden in über dreißig Sprachen übersetzt und erleben immer noch Nachauflagen. (AL)