Kudriashev Ivan (1896-1972), 1925
Das Staatliche Museum für zeitgenössische Kunst in Thessaloniki beherbergt seit fast zwei Jahrzehnten einen globalen Schatz: Die bedeutendste Sammlung russischer Avantgarde-Werke außerhalb Russlands, die berühmte Kostakis-Sammlung. Die darin enthaltenen Werke repräsentieren alle Strömungen und Tendenzen der vielleicht bahnbrechendsten und interessantesten Periode der Weltkunst, die in Russland in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts blühte. Die Kunstsammlung hat in den letzten Jahren das lebhafte Interesse der großen Museen Europas und Amerikas auf sich gezogen.
Der Kunstsammler Georgios Kostakis
Georgios Kostakis (auf Russisch „Georki Dionisovich Kostaki“), ein aus Zakynthos stammender Grieche, wurde 1913 in Moskau geboren, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte. Bis 1940 arbeitete er als Autofahrer an der griechischen Botschaft und anschließend als Leiter des lokalen Personals der kanadischen Botschaft. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit begleitete er ausländische Diplomaten bei ihren Besuchen in Antiquitätenläden und Kunstgalerien.
Udaltsova Nadezhda (1886-1961), 1915
Ohne besondere künstlerische Bildung oder Kontakte zur modernen Kunst, aber mit einem seltenen Instinkt begabt, war er beeindruckt, als er 1946 ein Gemälde von Olga Rozanova sah. Er interessierte sich für die russische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts und kam in Kontakt mit den Familien der Künstler, von denen er die Werke kaufte. Κostakis setzte seine Sammlung von Werken mindestens drei Jahrzehnte lang fort und bildete so eine berühmte Sammlung, die einen wichtigen Teil der modernen europäischen Kunst vor der Zerstörung und dem Vergessen bewahrte.
Rodchenko Aleksandr (1891-1956), 1920
Die Kostakis- Kunstsammlung
Die russische Avantgarde ist ein Begriff, der in der westlichen Welt auftauchte, um die künstlerischen, visuellen und literarischen modernistischen Bewegungen zu bezeichnen, die in Russland von 1905 bis Mitte der 30er Jahre entstanden. Die Künstler dieser Zeit gerieten in Konflikt mit früheren Strömungen des Realismus und Symbolismus und suchten nach einer neuen Ausdrucksweise. Das stalinistische Regime hatte die Werke der russischen Avantgarde verboten und der Kunst die Doktrin des sozialistischen Realismus aufgezwungen. Die Werke der russischen Avantgarde wurden daher zu demütigenden Preisen verkauft. Ihre Schöpfer waren entweder nicht mehr am Leben oder diskreditiert.
Popova Liubov (1889-1924), 1914-1915
Etwa drei Jahrzehnte lang, bis Mitte der 70er Jahre, baute Kostakis die größte Sammlung russischer Avantgarde der Welt auf, und er war überzeugt davon, dass „die Menschen sie eines Tages brauchen und schätzen würden“, und er rettete diese Werke vor dem Vergessen und der Zerstörung. Er hatte gehofft, in Moskau ein Museum für seine Sammlung errichten zu können, was jedoch nicht möglich war.
Kostakis hatte in seiner Sammlung 5.000 Gemälde, Zeichnungen und Konstruktionen von Malewitsch, Kandinski, Tatlin, Gontscharowa, Popowa, Chagall, Rodtschenko, Kliun, Lisinski und vielen anderen, die für die Entwicklung der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einzigartiger Bedeutung waren. Seine Wohnung in der Wernatski-Allee in Moscau fungierte als inoffizielles Museum für moderne Kunst. Die Sammlung repräsentierte alle Strömungen und Trends der russischen Avantgarde.
Popova Liubov (1889-1924), 1907-1908
1977 verließ Kostakis die Sowjetunion, ließ sich in Griechenland nieder, er überließ jedoch einen bedeutenden Teil seiner Sammlung als Schenkung der Tretjakow-Galerie in Moskau. Für die restlichen Werke erhielt er eine Exportlizenz und transportierte sie nach Europa. Kostakis starb 1990 im Alter von 76 Jahren in Athen und als Hommage an ihn und sein Engagement wurde 1995 eine große Ausstellung organisiert.
Morgunov Aleksei (1884-1935), 1912-1913
Die Ausstellung „Russische Avantgarde 1910–1930
Die G. Kostakis-Sammlung“, die 1995–1996 in der Nationalgalerie in Athen stattfand, war nicht nur ein Ereignis von großer künstlerischer Bedeutung, sondern auch eine Gelegenheit, die Ansichten älterer Wissenschaftler über die Bedeutung der russischen Kunst hervorzuheben, welche aufgrund ihres bahnbrechend neuen und experimentellen Charakters als „Avantgarde“ bezeichnet wurde, und darüber hinaus Antworten auf Fragen nach dem ideologischen Charakter und den visuellen Erfahrungen einer Kunst zu erforschen, die sich einige Jahre vor und einige Jahre nach der Oktoberrevolution von 1917 entwickelte. Gleichzeitig wurden die anfänglichen Annahmen über die Dynamik der Beziehungen zwischen russischer Kunst und der Kunst des Westens im gesamten Modernismus allmählich bestätigt.
Kazimierz Malewicz (1879-1935),1910
Das Jahr 1977 war vielleicht der wichtigste Meilenstein in der Geschichte dieser Sammlung, denn ihre erste Ausstellung fand in Europa (Düsseldorf) statt, gefolgt von der großen Ausstellung im Guggenheim Museum in New York im Jahr 1981, aufgrund derer berechtigte Vorschläge geäußert wurden, dass es notwendig ist, bestimmte Kapitel der europäischen Kunstgeschichte neu zu schreiben.
Rodchenko Aleksandr (1891-1956), 10/1921
1998 traf das griechische Kulturministerium die mutige Entscheidung, die Sammlung zu kaufen. Im Jahr 2000 wurde die Sammlung vom Kulturministerium mit einem Darlehen von der Nationalbank erworben. Das Darlehen wurde 2010 zurückgezahlt, und die Sammlung ging in den Besitz des griechischen Staates über. Die Sammlung wurde dem Staatlichen Museum für zeitgenössische Kunst in Thessaloniki übergeben. In Zusammenarbeit mit Aliki Kostaki, der Tochter des Sammlers, wurden die Werke und das Archiv des Sammlers entgegengenommen. Werke aus der Sammlung wurden seither in temporären Ausstellungen in den Ausstellungsräumen des Staatlichen Museum für zeitgenössische Kunst Thessaloniki, in Griechenland und im Ausland präsentiert.
Popova Liubov (1889-1924), 1918
Die Kostakis-Sammlung im Staatlichen Museum für zeitgenössische Kunst besteht aus 1275 Kunstwerken: Gemälde, Zeichnungen, Konstruktionen, Keramiken von bedeutenden Künstlern der russischen Avantgarde wie Kasimir Malewitsch, Wassili Kandinsky, Ljubow Popowa, Wladimir Tatlin, Aleksandr Rodtschenko, Ivan Kliun, Solomon Nikritin, Olga Rozanova, Varvara Stepanova, Nadezhda Udaltsova, Mikhail Matiushin, Gustav Klutsis. Die Sammlung gilt als repräsentativ für alle Strömungen und Tendenzen der russischen Avantgarde.
Der Sammler George Kostakis in seiner Wohnung in Moskau. Foto: Igor Palmin
Die Ausstellung „50+1 Geschichten aus der Kostakis-Sammlung“ wird bis Sonntag, 26. November 2023, im MOMus – Museum für zeitgenössische Kunst von Thessaloniki im Lazaristenkloster präsentiert.
Quellen, Fotos:
-https://momus.gr/collections
-https://www.greekstatemuseum.com/kmst/exhibitions/article/716.html
-https://rb.gy/sf6ld
-https://www.momus.gr/exhibitions/501-istories-apo-ti-syllogi-kostaki
-https://www.athensvoice.gr/politismos/eikastika/804147/50-sun-1-suglonistikes-istories-apo-ti-rosiki-protoporia-kai-ti-sullogi-kostaki/
(PS)