Christos Ikonomou wurde 1970 in Athen geboren und wuchs auf Kreta auf. Er arbeitet als Autor, Journalist und Übersetzer und lebt in Piräus. Er schreibt u. a. für die Athener Tageszeitung „Ethnos“ und wurde für diesen, seinen zweiten Erzählband „Warte nur, es passiert schon was“ mit dem griechischen Staatspreis für Literatur 2011 ausgezeichnet. Reading Greece sprach mit Christos Ikonomou über seine Bücher, seine Erzählkunst und das heutige Griechenland der Krise.
Reading Greece: Was hat Sie dazu bewegt, Autor zu werden und welche sind Ihre Inspirationsquellen?
Ikonomou: Ich glaube, hier handelt es sich um einen inneren Drang, meine eigene Welt zu schaffen und von persönlichen Geschichten von realen Menschen zu erzählen. Nach all den Jahren kam ich zu dem Schluss, dass das Schreiben mir noch ein zweites Leben verschafft, da es für mich mehr als eine Freude ist, schreibend mehr als ein Leben zu leben. Wenn mich einer danach fragt, warum ich diese Geschichten schreibe und nicht andere, dann ist meine Antwort: Ich weiß es einfach nicht! Wenn ich etwas schreibe, dann habe ich das Gefühl, dass ich in eine Ekstase bin. Es ist wohl schwierig dies logisch zu begründen.
Ihr Buch „Warte nur, es passiert schon was“ hat nahezu dithyrambische Rezensionen bekommen. Es wurde als das „Dekameron der Krise“ charakterisiert. Welche Themen behandeln Sie in Ihre Erzählungen und warum Ihre Geschichten derart aktuell sind?
Mein Hauptthema ist die ständige Bemühung des Einzelnen, Mensch zu bleiben, in einer Welt, die Tag für Tag unmenschlicher wird. Ich bemühe mich, substanzielle Fragen aufzugreifen, wie Leben oder Tod und dies mit einer gewissen Kunst zu behandeln, die den Leser faszinieren könnte. Meine Geschichten haben eine große Aktualität, weil sie sich nicht nur ausschließlich von der griechischen Krise, sondern von zeitlosen Fragen handeln, die alle Menschen betreffen.
Was hat Sie dazu geführt, Piräus als Kulisse und einfache Arbeiter als Protagonisten Ihrer Geschichten zu wählen?
Piräus ist der größte griechische Hafen und einer der größten weltweit. Trotzdem, für viele von meinen Landsleuten, ist er terra incognita, weil man von hier aus mit der Fähre zu den griechischen Inseln fährt. So ist es für mich als Kulisse sehr interessant, weil er bekannt und gleichzeitig unbekannt ist. Was die Protagonisten anbelangt, es interessiert mich eigentlich nicht der soziale oder ökonomische Hintergrund, aber ihre bewundernswerte Fähigkeit unter diesen überaus schwierigen Umständen zu überleben. Armut ist eine Herausforderung. Diese Herausforderung möchte ich von allen möglichen Seiten beleuchten.
Ihr Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Wie wurde es in so vielen Ländern aufgenommen? Glauben Sie, dass die heutige Finanzkrise das Interesse für die griechische Literatur überhaupt wieder belebt hat?
Ich bin mir nicht sicher, dass das Interesse für die griechische Literatur überhaupt neu entfacht ist, aber sicher ist, dass viele Menschen in Europa und anderswo den Versuch unternehmen möchten, nämlich zu verstehen, was doch in Griechenland passiert. Sie sind auch nicht mit den Medienberichten zufrieden und nicht mit dem, was die Politiker über Griechenland und die griechische Krise sagen. Für mich ist wichtig, dass mein Buch nicht als Bestandaufnahme der Krise aufgenommen wird, sondern als ein Buch, das sich größeren Fragen widmet. Das ist ja sehr interessant und ermutigend.
Gibt es noch Hoffnung für die griechische Gesellschaft? Welche Rolle spielt die Literatur und insbesondere die Autoren in diesen krisenhaften Zeiten?
W.H.Auden sagt: „Wir müssen hoffen oder sterben“. Die Hoffnung ist kein Gefühl und keine abstrakte Idee. Die Hoffnung ist die größte Macht gegen die Todesangst. Dies möchte ich auch zur Sprache klar bringen: Nämlich von der Hoffnung und nicht von der Todesangst zu reden. Was die Rolle der Literatur anbelangt, da möchte ich kein Pauschalurteil fällen, sondern meine eigene Meinung sagen. Ich sammle meine ganze Kraft und schreibe über eine Wahrheit, die schmerzvoll und aufwühlend zugleich ist. Wie alle große Wahrheiten, sie kann uns jedoch auch befreien. Hier geht es allerdings um die Wahrheit, welche wir sind, welche sind wir in unserer Phantasie und welche wollen wir sein.