In Düsseldorf lebt eine lebendige griechische Gemeinschaft, die Tradition und Integration miteinander verbindet. Über ihre Arbeit, die Bedeutung der Diaspora und aktuelle Herausforderungen sprach Graktuell mit Effi Bikaki, der Vorsitzenden der Deutsch-Griechischen Gesellschaft.

Zur Person: Effi Bikaki

Mein Name ist Effi Bikaki, und ich unterrichte mit Herz und Begeisterung am Leibniz-Montessori-Gymnasium in Düsseldorf – einer Schule, an der seit 1980 Neugriechisch als zweite Fremdsprache unterrichtet wird und das Fach sogar Teil des Abiturs ist.
Als Kind der ersten Gastarbeitergeneration bin ich zweisprachig aufgewachsen. Deutsch und Griechisch sind meine Muttersprachen. Diese Verbindung zweier Kulturen prägt meine Haltung: Bildung bedeutet für mich, Vielfalt zu leben und Brücken zu bauen. Heute bin ich stolze Mutter zweier erwachsener Kinder, die sich nun in der dritten Generation sicher in beiden Kulturen und Sprachen bewegen und sich als Europäer wohlfühlen.
Ich habe Deutsch und Geschichte in Köln und Düsseldorf studiert, ein Erasmus-Semester in Thessaloniki absolviert und begleite seit 1998 junge Menschen auf ihrem Bildungsweg. Als Koordinatorin für Unterrichts- und Schulentwicklung setze ich mich dafür ein, Lernen lebendig, offen und menschlich zu gestalten.

Darüber hinaus engagiere ich mich als Vorsitzende der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Düsseldorf e.V., um den kulturellen Dialog zwischen beiden Ländern zu fördern. Neue Inspiration finde ich beim Reisen, Lesen, Tanzen und im Theater – Dinge, die mich bereichern und mir Energie für Schule und Engagement schenken.

Wir laden Sie ein, im Folgenden das interessante Interview zu lesen:

Was hat Sie persönlich dazu bewegt, sich in der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Düsseldorf zu engagieren und schließlich deren Vorsitz zu übernehmen?

Als gebürtige Düsseldorferin mit griechischen Wurzeln begleitet mich die Frage nach meiner Identität zeitlebens. Seit frühester Jugend verstehe ich mich als Vermittlerin zwischen den beiden Kulturen, die meine Lebenswirklichkeit, mein Handeln und mein Denken prägen.
So verstehe ich auch mein Amt. Die Pflege und Förderung der Freundschaft und Verständigung zwischen hier lebenden Deutschen, Nicht-Griechen und Griechen, die ihr Herkunftsland neu entdecken möchten, ist mir eine wichtige Herzensangelegenheit.
Die Begegnungen mit anderen Menschen und Kulturen sowie neue Denkanstöße empfinde ich dabei als große Bereicherung.

Diese Erfahrungen haben mich darin bestärkt, mich in der DGGD zu engagieren und für den Vorsitz zur Wahl zu stellen. Ich bin seit 1998 Mitglied der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Düsseldorf und habe in der Vergangenheit einige Jahre lang aktiv im Vorstand mitgewirkt. Am 1. Oktober 2020 habe ich dann den Vorsitz der Deutsch-Griechischen Gesellschaft übernommen – mitten in der Pandemie. Nach 20 Jahren hervorragender Arbeit endete die Amtszeit meiner Vorgängerin, Frau Catherine Yannidakis-Hahne, und ich wurde gewählt.
Ich habe das Glück und die Freude, im Vorstand mit engagierten Menschen zusammenzuarbeiten, die Griechenland und unsere Gesellschaft lieben. Wir sind alle ehrenamtlich tätig und widmen unsere Freizeit mit viel Elan und Begeisterung der Planung unserer nächsten Aktivitäten.

Welche Hauptziele verfolgt die Deutsch-Griechische Gesellschaft heute, und wie haben sich diese im Laufe der Jahre verändert?

Unsere 1954 gegründete Gesellschaft hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, die deutsch-griechische Freundschaft zu pflegen und freundschaftliche Beziehungen über Generationen hinweg zu fördern – nicht nur zwischen Menschen in Griechenland und Deutschland, sondern auch zwischen hier lebenden Griechen und Deutschen bzw. Griechen untereinander. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Jugendarbeit. Zu diesem Zweck organisieren wir regelmäßig Wort- und Bildvorträge zu historischen, politischen, landeskundlichen und kulturellen Themen, Konzerte, Besichtigungen und Exkursionen. Auch gemeinsame Theaterbesuche, Jugendbegegnungen (in Kooperation mit dem Deutsch-Griechischen Jugendwerk) und gerne auch gemeinsame Feste mit griechischer Musik und griechischem Essen stehen auf unserem Programm. Heute zählt unsere Gesellschaft 142 Mitglieder, überwiegend deutscher, aber auch griechischer Herkunft.


Mein Ziel ist es, die engen Beziehungen zwischen Deutschen und Griechen durch den Dialog und die seit Jahrzehnten bestehende Kommunikation in unserer Stadt weiter auszubauen.
Ich habe die Vision, dass wir die Programme mit jungen Menschen fortsetzen und sowohl deutschen als auch griechischen Jugendlichen Griechenland, seine Kultur und seine Schönheit näherbringen.
Wir achten bei unserem Angebot darauf, möglichst verschiedene Aspekte und Bereiche zu beleuchten. Wir freuen uns, dass viele interessierte Deutsche und Griechen zu uns kommen, um unser vielfältiges Programm zu genießen.

Wie trägt die Gesellschaft konkret dazu bei, die kulturelle Verständigung zwischen Griechenland und Deutschland zu fördern?

Unsere Gesellschaft ist Teil der Düsseldorfer Stadtgesellschaft. Wir unterhalten enge Beziehungen zu deutschen und griechischen Behörden und Amtsträgern, die unsere Veranstaltungen oft mit ihrer Anwesenheit beehren.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es unsere wichtige und unverzichtbare Pflicht ist, unsere griechische Sprache und Kultur zu bewahren und sie nicht nur an die nächste Generation weiterzugeben, damit der griechische Geist in ihr weiterlebt, sondern dass wir sie auch in die Gesellschaft tragen müssen, in der wir leben und arbeiten. Nationale und kulturelle Vereine haben die Pflicht, das historische und kulturelle Erbe Griechenlands hochzuhalten und es unseren deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern näherzubringen.

Daher bin ich davon überzeugt, dass Griechenland in die Griechen der Diaspora, in ihre Kinder, in das Erlernen der Sprache und der Pflege der Bräuche investieren muss. Ebenso glaube ich, dass es wichtig ist, dass kulturelle und sicherlich auch politische und wirtschaftliche Veranstaltungen gefördert und unterstützt werden sollten, da sie das Image und das öffentliche Bild Griechenlands verbessern. Ein großer Erfolg deutsch-griechischer Veranstaltungen in unserer Stadt war das Griechenlandfestival vor einigen Jahren. Es übertraf alle Erwartungen und war für alle Teilnehmenden und Besucher ein unvergessliches Erlebnis von großem Wert: eine großartige Werbung für Griechenland und die Griechen unserer Region. Dem deutschen Publikum wurde ein modernes und kulturreiches Griechenland präsentiert, und die Eindrücke und Kommentare aller waren voller Begeisterung.
Den gleichen Stolz empfinde ich, wenn wir unsere Veranstaltungen organisieren und ich in den Augen unserer Besucher Bewunderung für unser Griechenland erkenne. Dann weiß ich, warum wir so viel Zeit und Kraft ehrenamtlich investieren.

Welche aktuellen Herausforderungen erleben Sie in der Arbeit der Deutsch-Griechischen Gesellschaft, und welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und den deutschen Behörden?

In unserer Arbeit erleben wir einige große Herausforderungen. Eine davon ist ganz klar der Generationswechsel. Viele unserer Mitglieder sind seit Jahrzehnten engagiert, aber wir merken, dass es schwieriger wird, junge Menschen für unsere Arbeit zu begeistern und langfristig einzubinden. Das betrifft sowohl die Vereinsaktivitäten als auch die ehrenamtliche Unterstützung bei Veranstaltungen.


Ein weiteres Thema ist die Finanzierung. Viele Projekte, besonders kulturelle oder bilaterale Austauschprogramme, hängen von öffentlichen Fördermitteln ab. Die Akquise dieser Mittel ist mit viel Bürokratie verbunden, und nicht immer können wir langfristig planen. Trotzdem versuchen wir, kreative Wege zu finden, um unsere Angebote aufrechtzuerhalten.
Gerade deshalb ist die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, Vereinen und den deutschen Behörden für uns sehr wichtig. Wir arbeiten eng mit anderen Vereinen und Bildungseinrichtungen zusammen, um gemeinsame Projekte zu realisieren, zum Beispiel Ausstellungen, Sprach- und Musikveranstaltungen oder Jugendaustausche. Diese Kooperationen bringen neue Impulse und helfen uns, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.

Auch die Zusammenarbeit mit der Stadt Düsseldorf ist von zentraler Bedeutung. Das Rathaus unterstützt uns bei organisatorischen Fragen, etwa bei der Bereitstellung von Räumlichkeiten oder der Übernahme der Schirmherrschaft bei Veranstaltungen. Ohne diesen Austausch wäre Vieles nicht möglich. Insgesamt sehen wir die Kooperation als großen Gewinn. Sie stärkt nicht nur unsere Arbeit, sondern auch das gegenseitige Verständnis zwischen Griechen und Deutschen.


Nicht zuletzt ist die Gesellschaft gefordert, auf aktuelle gesellschaftliche Themen, beispielsweise Migration, europäische Identität oder den gesellschaftlichen Zusammenhalt, einzugehen und diese in ihrer Arbeit zu reflektieren. Die Zusammenarbeit mit staatlichen und kommunalen Stellen hilft dabei, Brücken zu bauen und den interkulturellen Austausch lebendig zu halten.

Wie schätzen Sie es ein: Wie stark fühlen sich die Griechen der zweiten und insbesondere der dritten Generation mit ihrem Herkunftsland, den griechischen Bräuchen und Traditionen sowie der griechischen Gemeinschaft in Düsseldorf verbunden? Glauben Sie, dass sie heute stärker in die deutsche Gesellschaft integriert sind als in die griechische Gemeinschaft?

Das ist eine sehr interessante Frage, die ich mir tatsächlich auch oft selbst stelle. Ich bin Lehrerin an einem deutschen Gymnasium, dem einzigen mit einem griechisch-bilingualen Zweig, der seit 1980 eingerichtet ist und ich unterrichte auch Schülerinnen und Schüler mit griechischer Herkunft. Als Lehrerin, aber auch als Vorsitzende der DGGD beobachte ich, dass sich die zweite Generation, zu der ich auch gehöre, noch recht stark mit Griechenland verbunden fühlt. Viele sprechen die Sprache gut, reisen regelmäßig dorthin und haben ein emotionales Verhältnis zu den griechischen Bräuchen, Festen und natürlich zur Familie. Diese Generation bewegt sich sehr bewusst zwischen zwei Kulturen und sieht das meist als Bereicherung.


Bei der dritten Generation, also den Enkelkindern der ersten Migrantinnen und Migranten, ist die Verbindung zu Griechenland oft etwas lockerer. Viele verstehen oder sprechen nur noch begrenzt Griechisch und die familiären Bindungen nach Griechenland werden schwächer. Gleichzeitig sind sie hier in Deutschland geboren, aufgewachsen und in Schule, Beruf und Freundeskreis voll integriert. Sie fühlen sich in erster Linie als Teil der deutschen Gesellschaft, ohne ihre griechischen Wurzeln völlig zu verlieren. Das bedeutet aber nicht, dass das griechische Erbe keine Rolle mehr spielt. Viele junge Menschen interessieren sich wieder bewusst für ihre Herkunft, sei es durch Kultur- und Tanzveranstaltungen, Reisen nach Griechenland oder über digitale Medien, die den Kontakt erleichtern. Man kann sagen: Die Bindung ist heute weniger traditionell, aber individueller geworden und trotzdem intensiv.
Die Herausforderung besteht nun darin, gleichzeitig das kulturelle Erbe lebendig zu halten, nicht durch Pflichtgefühl, sondern durch echte Neugier und Identifikation. Daran versuchen wir als Gesellschaft aktiv mitzuwirken. Deshalb müsste mehr in die Sprache der jungen Menschen investiert werden, denn diese verschwindet zunehmend. Sprache ist ein zentraler Teil der Identität, sie verbindet Generationen und hält den kulturellen Bezug lebendig. Wenn wir es schaffen, die griechische Sprache stärker in Bildung, Freizeit und Familienleben einzubinden, können wir auch das Gefühl der Zugehörigkeit langfristig stärken.

Während der Wirtschaftskrise von 2010 entstanden in der deutschen Öffentlichkeit negative Stereotype über Griechen. Inwiefern haben diese Stereotype die griechische Diaspora in Düsseldorf beeinflusst? Und würden Sie sagen, dass solche Vorurteile heute noch spürbar sind?

Ja, die Zeit der Wirtschaftskrise war für viele Griechen in Deutschland keine einfache Phase. In den Medien kursierten damals viele vereinfachte oder negative Darstellungen, etwa dass Griechen faul seien oder auf Kosten anderer lebten. Solche Stereotype haben uns natürlich auch hier in Düsseldorf erreicht. Viele Menschen aus der griechischen Gemeinschaft haben gespürt, dass plötzlich ein anderes Bild von ihnen in der Öffentlichkeit existierte, das mit ihrer Realität überhaupt nichts zu tun hatte.


Einige erzählten, dass sie im Alltag mit Vorurteilen oder spöttischen Bemerkungen konfrontiert wurden, andere fühlten sich einfach missverstanden. Besonders schwierig war das für die jüngere Generation, die hier geboren ist und sich als Teil der deutschen Gesellschaft sieht. Sie musste sich plötzlich mit Klischees über ein Land auseinandersetzen, zu dem sie zwar familiäre, aber keine direkten wirtschaftlichen Verbindungen hatte.
Gleichzeitig hat diese Zeit innerhalb der griechischen Diaspora auch Zusammenhalt und Solidarität gestärkt. Viele haben sich stärker engagiert, um ein realistischeres und positiveres Bild Griechenlands zu zeigen, etwa durch Kulturveranstaltungen, Informationsabende oder Projekte, die den gegenseitigen Austausch fördern.


Heute, würde ich sagen, sind diese Vorurteile weitgehend abgeklungen. Das öffentliche Bild Griechenlands hat sich wieder normalisiert, und die Menschen unterscheiden stärker zwischen politischer Berichterstattung und den realen Lebensgeschichten der hier lebenden Griechen. Zwar gibt es vereinzelt noch immer Klischees; im Alltag sind sie jedoch kaum spürbar. Viel wichtiger ist heute der gegenseitige Respekt und die europäische Verbundenheit, die in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist.

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Effi Bikaki.

Deutsch-Griechische Gesellschaft Düsseldorf e.V.

c/o Efthalia Bikaki (1. Vorsitzende)

Sternwartstr. 54

40223 Düsseldorf

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(PS)