„Was war Byzanz? Wo war es?“, fragt in seinem Brief an Goethe vom 1. August 1816 der Komponist und enger Freund Carl Friedrich Zelter (1758-1832). Neun Tage später antwortet ihm Goethe: „Byzanz steht für Constantinopel, es ist der alte Nahme, paßt besser in den Styl und wird in Sachen der bildenden Kunst gewöhnlich gebraucht“. Eine eher vage und improvisierte Antwort, welche zeigt, dass selbst Goethe, der ein profunder Kenner der griechischen Antike war, doch wenig über das byzantinische Reich wusste.
Das Byzantinische Reich oder einfach Byzanz, oder das Oströmische Reich bzw. Ostrom steht für das Kaiserreich, welches nach der Reichsteilung des Römischen Reiches im Jahr 395 nach Christus im östlichen Mittelmeerraum entstand und eine direkte Fortsetzung des Imperium Romanum bildete. Es erstreckte sich in seiner Blütezeit im 6. bis 7. Jahrhundert von Italien und der Balkanhalbinsel bis zur arabischen Halbinsel und nach Nordafrika. Verstrickt in unzählige kriegerische Auseinandersetzungen, Feldzüge und interne Intrigen zerfiel es nach und nach, bis es schließlich im Jahre 1453 in die Hände der Osmanen fiel.
Dieser langen und glorreichen historischen Zeit, die mehr als eintausend Jahre lang dauerte, widmet sich das Byzantinische Museum von Thessaloniki. Es wurde im September 1994 eröffnet und liegt an der Leofóros-Stratoú-Straße, sehr nah zu der Aristoteles-Universität in der zweitgrößten Stadt Griechenlands.
Das Byzantinische Museum von Thessaloniki erfüllt zwei Aufgaben: Es ist das Museum für die byzantinische Zeit und gleichzeitig eine Forschungsstätte dieser einzigartigen Kultur, welche immer noch heute in der westlichen Welt so wenig bekannt ist. Es ist „eine wissenschaftliche Institution, die für die Öffentlichkeit zuständig ist“, andererseits aber eine Institution, die sammelt, konserviert und weiter diese Ära erforscht, die auch einen wichtigen Teil der langen griechischen Geschichte darstellt.
Im tausendjährigen Bestehen des byzantinischen Reiches wurde die griechische Sprache gesprochen und das kulturelle Erbe der griechischen Antike weiter gepflegt. Den vielen anonymen byzantinischen Mönchen, Gelehrten, Autoren verdanken wir sehr viel. Sie haben mit ihrem Wirken zur Erhaltung der antiken griechischen Kultur enorm beigetragen. Die antike griechische Kunst und Kultur, aber auch die byzantinische Kunst wurden nach der Eroberung von Konstantinopel durch die vielen Flüchtlinge nach Italien gerettet. Die sogenannte italienische Renaissance war größtenteils von den ehemaligen griechischen Flüchtlingen vorbereitet worden, die in Italien Schutz suchten und dort fortan als Gelehrte oder Lehrer der griechischen Sprache gewirkt haben.
Das heutige Byzantinische Museum von Thessaloniki ist ein Werk des namhaften und früh verstorbenen Architekten Kyriakos Krokos (1941-1998). Es beherbergt eine außerordentlich wichtige Sammlung der frühchristlichen und späteren byzantinischen Kunst und Kultur, welche im Laufe der Jahrhunderte hauptsächlich in Nordgriechenland und in Thessaloniki entstanden ist. Die Kunstwerke, Exponate, Artefakte oder Alltagsgegenstände beziehen sich auf mehrere Funde aus dem 4. Jahrhundert, vornehmlich aus Philippi und Amphipolis, die zusammen mit Thessaloniki zu den ältesten frühchristlichen Gemeinden auf dem europäischen Kontinent zählten. Zeugnis davon geben wohl auch die Briefe von Apostel Paulus.
Besondere Erwähnung verdient die reiche, einzigartige Ikonensammlung des Museums. Sie besteht aus Ikonen aus dem 4. Jahrhundert, vor allem aus Ikonen von der Zeit nach dem 9. Jahrhundert, als der sogenannte „Bilderstreit“ zu Ende ging, und die Ikone von nun an eine große Rolle im christlichen Kirchenleben spielte.
Das Byzantinische Museum von Thessaloniki bekam im Jahr 2015 den „Council of Europe’s Museum Prize“ für seine besonderen „Verdienste um das kulturelle Erbe“. Ein Jahr später wurde dem Museum in der Kategorie „long film“ der goldene Preis beim internationalen „Festival of Audiovisual Means on Museums and Cultural Heritage of AVICOM“ verliehen. (AL)
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