Ganz nah bei Athen, nur 9km entfernt, liegt das Kloster Daphni aus dem 11. Jh., welches zusammen mit dem Kloster Osios Loukas (in der Nähe von Delphi) und dem Kloster Nea Moni auf der ägäischen Insel Chios, zu den eindrucksvollsten Klosterbauten Griechenlands gehört. Den Namen verdankt das bedeutende Kloster der gleichnamigen Gegend Daphni, die zur Gemeinde Chaidari gehört.
Der Name des Klosters bezieht sich auf das gleichnamige Gewächs, welches der Lorbeer ist, die einstig heilige Pflanze des Gottes Apollon. Man kann fast mit Sicherheit vermuten, dass da, wo heute das Kloster Daphni befindet, früher ein Apollon-Tempel gebaut war.
Damit beginnt eine abwechslungsreiche Geschichte, die das Kloster zu dem gemacht hat, was es heute ist. Sein Vorgänger, eine frühchristliche Kirche aus dem 5. Jh. existierte bis zum 11. Jh., als sie dann, um das Jahr 1080 herum, der heutigen Klosteranlage Platz gemacht hat. Der vierte Kreuzzug, der zur Eroberung von Konstantinopel durch die Latiner führte, hatte zur Folge, dass zwei Jahre später auch Athen bzw. Attika in die Hände der Franken fiel, die auch das reiche Daphni Kloster übernahmen und es zu einem Zistenzienser-Kloster umfunktionierten. So blieb es bis zum Jahr 1458, als Athen und große Teile des östlichen Mittelmeers in die Hände der Türken fielen. Es dauerte allerdings um die hundert Jahre, bis orthodoxe Mönche das Daphni Kloster wieder bewohnen und bewirtschaften durften.
Kloster Daphni nach Restaurierung, Außenansicht (2017) / Foto: Ktiv, Kloster Daphni 2017, CC BY-SA 4.0, Quelle: Wikimedia Commons
Erst im 19. Jh. beginnt eine neue Ära für das Daphni Kloster. Gegen Ende der 80er Jahre dieses Jahrhunderts fangen die Restaurationsarbeiten an und auch die ausgedehnte Sanierung der Klosteranlage. Der Bau hat einen oktogonalen kreuzförmigen Grundriss und ist von einer sechzehneckigen Kuppel überdacht. Die Kuppel wird, wie H. R. Goette ausführt, von „acht im Quadrat angeordneten Stützen“ getragen, „zu deren Tambour vier sphärische Dreiecke überleiten, die in die Kreuzungspunkte von Längs- und Querschiff eingeschoben sind“ (H. R. Goette, Athen – Attika – Megaris. Reiseführer zu den Kunstschätzen und Kulturdenkmälern im Zentrum Griechenlands, Köln / Weimar / Wien 1993, S. 132 ff.).
Manolis Chatzidakis, einer der wichtigsten Kunsthistoriker und Byzantinisten des vorigen Jahrhunderts, bemerkt doch zu Recht, dass Daphni mit großer Sorgfalt gebaut worden sei. Dennoch, stellt Chatzidakis fest, dass „das Hauptmassiv des Baues breit und wuchtig mit Gliederungen, die die innere Einteilung verraten“, gestaltet ist, wie dies übrigens „bei allen Kirchen dieses Typus“ der Fall ist. Wir können außerdem bemerken, dass es einen Wechsel „von Horizontaler und Vertikaler nach oben“ gibt, der erheblich zum Rhythmus des Baukörpers beiträgt und ihm Plastizität verleiht.
Giorgos Seferis, der erste griechische Nobelpreisträger des Jahres 1963, schrieb in seinem bekannten Essay über die große Dichtung des späten Mittelalters „Erotokritos“ einige eindrucksvollen Seiten für das Bemerkenswerteste des Daphni Klosters: Seine Mosaiken. Sie sind zwar fragmentarisch überliefert, aber sie sind Zeugen einer großen Kunst. Ihre Kraft liegt weniger an den einzelnen Figuren als an den Kompositionen, hinter denen sich große Ikonenmaler verbergen. Man kann ohne Schwierigkeit einen überragenden Bildkomplex erkennen, wo Jesus als Christus Pantokrator (Christus, der über alles herrscht) und die Gottesmutter die wichtigsten Positionen einnehmen.
Mosaiken, im Zentrum der Kuppel: Christus Pantokrator / Foto: Christinelle, Μονή Δαφνίου τρούλος, CC BY-SA 4.0, Quelle: Wikimedia Commons
Man kann M. Chatzidakis nur zustimmen, wenn er anmerkt: „Wenn der Besucher vom Westeingang her den Zentralraum der Kirche betrat (…), erblickte er in der Altarnische das Bild der thronenden Gottesmutter, von dem leider nur der untere Teil erhalten ist. Nach oben blickend, sah er die Gestalten der Propheten zwischen den Kuppelfenstern, und darüber den Pantokrator (…). Ließ man den Blick in der Horizontale schweifen, sah man links die ‚Kreuzigung‘, rechts die ‚Auferstehung‘ und dazwischen, in den Ecknischen, die ‚Verkündigung‘ und die ‚Geburt Christi‘, die das Marienbild im Hintergrund einrahmen. So kann man von einem Punkt aus die Hauptbilder betrachten“ (M. Chatzidakis, Daphni, in: E. Melas (Hrsg.), Alte Kirchen und Klöster Griechenlands. Ein Begleiter zu byzantinischen Stätten, Köln 1976⁴, 185 ff.). (AL)
Introbild: Kloster Daphni, Fassade nach der Restaurierung (2017) / Foto: Ktiv, Dafni Klosterfassade, CC BY-SA 4.0, Quelle: Wikimedia Commons
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