Die Geburtsstunde der EU ist einer Erklärung zu verdanken. Der französische Außenminister Robert Schuman hielt am 9. Mai 1950 eine Rede während einer Gewerkschaftstagung in Paris, in welcher er die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vorschlug. Diese Rede wird als Geburtsurkunde der Europäischen Union angesehen. Der 9. Mai wurde infolge einer Entscheidung des Europäischen Rates im Jahr 1985 zum Europatag erklärt.
In seiner Rede betonte Robert Schumann: „Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern –die erste Etappe der europäischen Föderation– und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind.
Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, dass jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist. Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offensteht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen Ländern, die sie umfasst, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen. Diese Produktion wird der gesamten Welt ohne Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt werden, um zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der Werke des Friedens beizutragen“.
Eine große Vision und viel Versöhnungsmut liegen diesen Worten zugrunde. Eine Zukunftsvision, welche sich als eine großartige Idee erwiesen und 70 Jahre lang, trotz der Hindernisse und den unzähligen Herausforderungen, standgehalten hat. Die Grundidee der EU beruht auf der Souveränität eines jeden Volkes und auf nunmehr unbestrittenen und von der überwältigenden Mehrheit der europäischen Völker mitgetragenen Werten. Die demokratischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit sind das tragende Fundament der EU.
Der 9. Mai ist zwar hauptsächlich ein Informationstag, mit dem Ziel, den Bürger*Innen der EU die europäischen Werte näher zu bringen. Er soll jedoch vor allem das Gefühl vermitteln, dass die europäischen Völker seit nunmehr 75 Jahren in Eintracht, fruchtbarer Zusammenarbeit und Frieden leben.
Am 17. November 1991 hielt der niederländische Autor Cees Nooteboom in München einen Vortrag mit dem markanten Titel: „Wie wird man Europäer“. Der Vortrag berührt eine immer noch offene Wunde. Wie aus Völkern, die sich jahrhundertelang, aus welchen Gründen auch immer, bekriegt haben, ein Volk werden kann, das zusammen handelt und sich verbunden fühlt. Fast dreißig Jahre nach diesem bemerkenswerten Vortrag, gilt es nochmals die Grundwerte der EU zu überdenken, sie zu fördern und tatkräftig zu unterstützen. In dem Wissen, dass Gegensätze und Unterschiede notwendig sind, um wenn nicht zur Harmonie, doch zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zu gelangen.
Das Vereinte Europa ist ein ambitioniertes Projekt, das sich gut bewährt hat. Es vereint Nationen, Sprachen, Kulturen. Es ist allgegenwärtig und gleichzeitig unsichtbar. Es beweist, dass die Vielstimmigkeit und die Pluralität, die Gegensätze und die Widersprüche zu einem gut funktionierenden Ganzen zusammen gefasst werden können. Europäer wird und ist man, wenn man das Projekt EU nach Kräften unterstützt und fördert. (AL)
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