Das wichtigste Zentrum der minoischen Zivilisation, Knossos, liegt 5 km südöstlich von Heraklion, auf dem Kefala-Hügel zwischen Olivenbäumen, Weinbergen und Zypressen, neben dem Fluss Kairatos (heute Katsambas). Der Überlieferung nach war es der Sitz von König Minos und die Hauptstadt seines Staates. Die faszinierenden Mythen des Labyrinths mit dem Minotaurus und Daidalos sind mit dem Gebiet des Palastes von Knossos verbunden.

Minotaur
The Minotaur, tondo of an Attic bilingual kylix, ca 515 BCE /Quelle: © Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons / CC-BY 2.5, Tondo Minotaur London E4 MAN, CC BY 2.5

 Mythologie

Im 16. Jahrhundert v. Chr. herrschte der Sohn von Zeus und Europa, der legendäre König Minos, über Knossos. Ihm sandte der Gott Poseidon einen prächtigen weißen Stier, den er ihm opfern sollte. Minos gefiel jedoch der Stier so gut, dass er ihn zu seiner Herde treiben und an seiner Stelle einen anderen Stier opfern ließ. Als Strafe für dieses Vergehen entfachte Zeus in seiner Gemahlin, Pasiphaë eine Begierde nach dem Tier. Pasiphaë brachte daraufhin den Stiermenschen Minotaurus, ein menschenfressendes Ungeheuer, zur Welt. König Minos ließ dieses Ungeheuer mit menschlichem Leib und Stierkopf nicht töten, sondern beauftragte Daidalos mit dem Bau eines sicheren Verstecks, des sagenhaften Labyrinths.

Knossos stater with labyrinth
Knossos, Münze mit Labyrinth /Quelle: Wikimedia Commons, Hispalois, Knossos stater with labyrinth, CC BY-SA 4.0

 Den Tod seines Sohns Androgeos bei einem sportlichen Wettkampf in Attika nahm König Minos zum Anlass, die Athener alle neun Jahre zu einem Tribut von sieben Jünglingen und sieben Jungfrauen zu zwingen, die dem Minotaurus geopfert wurden. Prinz Theseus schloss sich freiwillig den Geiseln an, um den Minotaurus zu töten. Als er die Tochter des Königs Minos, Ariadne, nach seiner Ankunft auf Kreta traf, verliebten sie sich ineinander. Theseus vertraute ihr seine Absicht an, und sie versprach ihm ihre Hilfe, wenn er sie heiraten und nach Athen mitnehmen würde. Als er zustimmte, gab sie ihm das magische Wollknäuel des Daidalos, mit dem er jederzeit den Weg aus dem Labyrinth finden konnte. Mit Hilfe der Götter gelang es Theseus, den Minotaurus zu töten, den er Poseidon opferte; zusammen mit Ariadne und seinen Mitgeiseln floh er daraufhin, von den Göttern unterstützt, nach Naxos.

Knossos North entrance bull fresco
Palast von Knossos, Nordeingang /Quelle: WikimediaCommons, Jebulon,KnossosNorthentrancebullfresco,CC0 1.0

 Geschichte

Hinweise auf den Palast von Knossos und seinen König Minos finden sich in Homer (die Liste der Schiffe der Ilias besagt, dass Kreta 80 Schiffe auf Befehl des Königs Idomeneus von Knossos sendete, Odyssee, 178-9), in Thukydides (Verweis auf Minos), bei Hesiod und Herodot, Bakchylides und Pindar, Plutarch und Diodorus von Sizilien. Die Wohlstandszeit der Stadt reicht bis in die minoische Zeit (2000 – 1350 v. Chr.) zurück, in der sie das grundlegendste und bevölkerungsreichste Zentrum Kretas ist. Auch in späteren Perioden, wie in der hellenistischen Ära, spielt es eine wichtige Rolle und entwickelt sich besonders.

Die Stadt Knossos war vom Ende des 7. Jahrtausends bis zur Römerzeit ununterbrochen bewohnt. Die Jungsteinzeit ist vom technologisch fortgeschrittenen Landleben (Steinwerkzeuge und Textilgewichte) geprägt. Die Bewohner werden von Sammlern und Jägern zu Erzeugern (Landwirte und Viehzüchter), und, folglich, herrscht die Tendenz zu einer systematischeren und dauerhafteren Niederlassung. Die Siedlungsphasen in Knossos folgen aufeinander, während die Siedlungsbevölkerung am Ende des Spätneolithikums auf 1.000 – 2.000 Einwohner geschätzt wird.

Die Entwicklung der Siedlung setzt sich in der Bronzezeit fort. Viele ältere Gebäude werden beim Bau des Palastes abgerissen. Die Siedlung wird heute in den Texten der Linearschrift B (14. Jahrhundert v. Chr.) als “Ko-no-so“ bezeichnet. Die Besiedlung ist in beiden Perioden, der älteren (19.-17. Jahrhundert v. Chr.) und der jüngeren Palastzeit (16.-14. Jahrhundert v. Chr.) mit luxuriösen Häusern, Herbergen und minoischer Infrastruktur besonders dicht.

Knossos Thronsaal 08
Knossos, Thronsaal /Quelle: Wikipedia Commons, Olaf Tausch, Knossos Thronsaal 08, CC BY 3.0

 Die Paläste werden an Orten errichtet, die Ebenen und Zugänge vom Meer aus kontrollieren, während gleichzeitig wichtige Siedlungen um sie herum entstehen. Städte und Paläste bleiben jedoch unbefestigt, was die sogenannte Pax Minoica bestätigt. Um 1700 v. Chr. zerstört ein großes Erdbeben Knossos und führt zu groß angelegten Arbeiten in der Stadt und im Palast. Dieses Ereignis markiert in Knossos und auf der ganzen Insel das Ende der älteren und den Beginn der jüngeren Palastzeit. Auf den Fundamenten der alten Paläste werden neue, noch aufwendigere errichtet. Knossos erlebt seine größte Blütezeit und entwickelt sich zum führenden religiösen und politischen Zentrum der Insel. Zu dieser Zeit verfügt Knossos wahrscheinlich über die größte und mächtigste Flotte, deren Schiffe zu den phönizischen, ägyptischen und peloponnesischen Häfen auslaufen und die Kykladen, Athen sowie den Nahen Osten ansteuern. Knossos hat zwei Seehäfen, einen bei Amnissos, den anderen in Heraklion. Die Stadt Knossos erstreckt sich über eine große Fläche und ihre Bevölkerung wird von Evans auf rund 80.000 Einwohner geschätzt.

Nach einer teilweisen Zerstörung von Knossos laßen sich die Mykener 1450 v. Chr. in der Stadt nieder, ohne jedoch die Paläste wieder aufzubauen. Aus den folgenden Perioden sind einige Relikte erhalten geblieben, von denen die meisten Gräber und ein kleiner klassischer Tempel im Bereich des Palastes sind. Die Stadt blüht während der hellenistischen Zeit (Heiligtum von Glafkos, Heiligtum von Demeter, Felsgräber, Nutzung des nördlichen Friedhofs, Festungstürme). Im Jahr 67 v. Chr. erobert Quintus Caecilius Metellus Creticus Knossos und gründet eine römische Kolonie namens Colonia Julia Nobilis. Zu dieser Zeit gehört die „Villa von Dionysos“ mit den prächtigen Mosaiken.

1200px Wall painting of three women Ladies in Blue from Knossos outside Royal Magazines Heraklion AM

 In der byzantinischen Zeit ist Knossos Sitz des Bischofs, während die Überreste einer Basilika aus dem 6. Jahrhundert erhalten geblieben sind. Nach der arabischen Eroberung Kretas gewinnt der Hafen von Heraklion zunehmend an Bedeutung, während Knossos langsam in Vergessenheit gerät. Auf den römischen Ruinen wirde eine kleine Siedlung errichtet, die als „Lange Mauer“ bezeichnet wird. Der Name stammt von einer langen Mauer, einem Relikt des römischen Knossos.

Knossos wird 1878 vom kretischen Kaufmann, Juristen und Amateurarchäologen Minos Kalokairinos entdeckt. Einige Jahre später, beginnt der englische Museumsdirektor, Ethnologe und Zeitungskorrespondent Arthur Evans mit systematischen Ausgrabungen, die von 1900 bis 1931 fortgesetzt werden. Bei diesen Ausgrabungen werden der Palast, ein großer Teil der minoischen Stadt und der Friedhöfe entdeckt. Seitdem werden die Ausgrabungen im weiteren Gebiet von Knossos von der English School of Archaeology und dem Ephorat Prähistorischer and Klassischer Altertümer fortgesetzt.

Queens Megaron with dolphins Knossos Palace
Palast von Knossos, Gemächer der Königin /Quelle: WikimediaCommons, Jebulon, Queen’s Megaron with dolphins Knossos Palace, CC0 1.0

 Archäologische Stätte

Der ältere Palast von Knossos wurde im Gegensatz zur einheitlichen Gestaltung der Paläste von Phaistos und Malia mit der Vereinigung wichtiger Komplexe aus früheren Zeiten erbaut.

Bei der Gestaltung wurden geradlinige Korridore generell vermieden. Räume und Korridore sind in einer verwirrenden Anordnung aneinandergefügt. Diese Elemente rechtfertigen zusammen mit der komplexen architektonischen Struktur den kretischen Mythos des Labyrinths. Nach der Zerstörung des älteren Palastes durch Erdbeben wurde der majestätischere jüngere Palast erbaut, in dem ab Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. die Mykener sitzen, die als absolute Herrscher die ganze Insel kontrollieren. Der jüngere Palast wurde Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. durch Feuer zerstört und funktionierte seitdem nicht mehr als Palastzentrum.

Knossos Südpropyläen 01
Knossos, Südpropyläen /Quelle: WikimediaCommons, Olaf Tausch, Knossos Südpropyläen 01, CC BY 3.0

 Der Palast von Knossos ist in mehrere Abschnitte unterteilt, von denen jeder eine eigene Nutzung hat. Er war mehrstöckig, mit prächtigen Wandgemälden verziert, die hauptsächlich religiöse Zeremonien darstellen. Der Zugang erfolgte über drei Eingänge an der Nord-, West- und Südseite. Rund um den Innenhof entwickeln sich vier Flügel. Im Westflügel des Palastes befinden sich die Zeremoniensäle in den oberen Stockwerken, die öffentlichen Lagerräume mit großen Vorratsgefäßen (Pithoi), die Heiligtümer, die Schatzkammern sowie der Thronsaal, der aus dem Vor- und dem Hauptraum besteht. Im südwestlichen Teil des Palastes befinden sich der westliche Innenhof und der westliche Eingang zum Prozessionskorridor, der mit Fresken geschmückt war („Prinz mit den Lilien“). Auf der linken Seite des Korridors befinden sich Propylaea und die berühmten Doppelhörner, eines der heiligen Symbole der minoischen Religion.

Im Ostflügel befanden sich die königlichen Gemächer, zu denen eine große Treppe führte, die Personalräume und ein Heiligtum. Zu den wichtigsten Räumen zählen der Doppelaxt-Saal und die Gemächer der Königin mit dem berühmten Delphinwandbild. Im Norden und Osten der Gemächer der Königin befanden sich die Hauptlager sowie der Zatriki-Korridor (eine Art Schach). Weiter östlich gab es verschiedene Werkstätten sowie die königlichen Lagerhäuser. Der Nordflügel wird vom sogenannten „Teloneio“, einem Reinigungstank und einem Steintheater dominiert. Eine gepflasterte Straße begann vom Theater und führte zum kleinen Palast. Schließlich gab es im Südflügel den majestätischen südlichen Propylos.

Introbild: Palast von Knossos /Quelle: Wikimedia Commons, //www.flickr.com/people/8327374@N02 Gary Bembridge London, UK, Palace of Knossos Crete Greece-7 (43720531050), CC BY 2.0

EG

Sehen Sie die folgenden Videos des Archäologischen Museums Heraklion (Griechisch):  

 

TAGS: Archäologie | Geschichte | Kultur