Die ausgebildete Physikerin Maria Makraki studierte Dirigieren an der Universität der Künste bei H. M. Rabenstein und I. Jackson, sowie im Rahmen eines mit Auszeichnung abgeschlossenen Zusatzstudiums an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin bei H. D. Baum und an der Zürcher Universität mit J. Schlaefli. Als Gastdirigentin leitete sie regelmäßig Aufführungen und Aufnahmeproduktionen mit den Orchestern u.a. des Athener, Bukarester, Münchner, Hessischen, Stuttgarter und Kölner Südwest- und Westdeutschen Rundfunks, mit dem Konzerthausorchester Berlin, sowie mit den Berliner, Bergischen, Nürnberger und TschaikowskySymphonie Orchestern. Des Weiteren dirigierte sie Konzerte u.a. mit der Baden-Badener, Jenaer, Janacek und der Rheinischen Philharmonie und Produktionen mit den Philharmonischen Staatsorchestern und Theatern von Bremen, Giessen, Halle, Heidelberg, Kassel, Leipzig und Rostock. Von 2001 bis 2005 wurde sie als Preisträgerin in die Künstlerliste „Maestros von Morgen“ des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates aufgenommen. 2003 war sie Kapellmeisterin der Robert-Schumann Philharmonie am Operntheater Chemnitz. Die mehrfache Preisträgerin von Dirigierwettbewerben übernahm im Juli 2007 die künstlerische Leitung der Camerata Europæa in Berlin. Von 2007 bis 2009 war Maria Makraki als Dozentin im Fach Orchesterdirigieren an der Makedonischen Universität in Thessaloniki/Griechenland tätig. Im Jahr 2012 übernahm sie die künstlerische Leitung des Festivals für zeitgenössische Musik und visuelle Kunst „Regain“ in Athen und seit 2015 die des neu gegründeten „Festival of Culture“. Ein besonderer Fokus ihres künstlerischen Schaffens liegt derzeit auf der Entwicklung innovativerProgrammkonzepte für die europäische Musik der Gegenwart.

Griechenland Aktuell sprach mit Frau Maria Makraki über ihren beruflichen Werdegang und ihre aktuellen künstlerischen Projekte.

Seit 2007 sind Sie künstlerische Leiterin der Camerata Europaea in Berlin. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Dirigentin bei der Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Verständnis aufgrund der Multikulturalität der Orchestermitglieder?

Camerata Europæa steht für die europäischen Ideale, indem sie Brücken für einen besseren kulturellen Austausch, die Durchdringung und die Vertiefung der europäischen Idee baut. Berlin ist eine pulsierende Stadt, die viele Kulturen mit einem breiten Austausch von Ideen, Kunst und Künstlern zusammenbringt und sich für grenzüberschreitende Projekte anbietet. Und das passt ideal zum Stil des Orchesters, das ich leite. Die Kunst braucht Pluralismus und Multikulturalität, während die Musik aufgrund ihres verbindenden Charakters als Band zwischen den Mitgliedern des Orchesters wirkt. Die Herausforderung für mich besteht darin, die unabhängigen Linien zu homogenisieren, die Art der Interpretation zu systematisieren und zu definieren, indem ich die gemeinsamen Ziele auf den Gedanken von „Einheit durch Vielfalt“ projiziere, um ein überzeugendes künstlerisches Ergebnis zu erzielen.

MM6Gibt es Vor- oder Nachteile bei der Leitung eines Jugendsinfonieorchesters im Vergleich zur Leitung eines Orchesters mit älteren und erfahrenen Musikern?

Ein junges Sinfonieorchester zu dirigieren, kann wegen der Unmittelbarkeit der jungen Mitglieder, ihrer Lust, Grenzen zu überschreiten und zu experimentieren, ohne sich erst einmal mit der Tradition und dem Establishment zu identifizieren, spannend sein. Allerdings fehlt dem Orchesterensemble die Reife des Orchesterklangs, die Disziplin und das besondere Gewicht des Klangkörpers sowie die solide technische Infrastruktur für besonders anspruchsvolle Aufführungen.

Wie beurteilen Sie junge griechische Musiker, die in klassischen Orchestern mitwirken, im Vergleich zu denen anderer europäischer Länder? Worin zeichnen sich griechische Musiker aus, wo bleiben sie zurück? Wie unterscheidet sich andererseits Ihrer Meinung nach das griechische Publikum vom Publikum in anderen Ländern, wenn es um den Besuch klassischer Musikkonzerte geht?

Alles hängt von der Ausbildung ab. Heutzutage studieren junge griechische Künstler an Musikhochschulen in Griechenland und im Ausland und haben einen direkten Zugang zu Wissen. Die markanten Unterschiede liegen vor allem im Charakter, denn als Volk sind wir emotional, mutig, kreativ, temperamentvoll und extrovertiert. Aber diese Eigenschaften können auch einen Mangel an Disziplin, Organisation, Ordnung und Unterordnung unter ein allgemeines Ziel offenbaren. Das griechische Publikum hat vielleicht nicht die Tradition der klassischen Musik wie das mitteleuropäische, aber es ist empfänglich für die Erweiterung seines ästhetischen Horizonts, insbesondere durch interaktive und innovative Programme, in denen Kunst und Musik in einer breiteren Perspektive kombiniert werden.

MM8Haben Sie eine Vorliebe für bestimmte Komponisten, Werke oder Epochen? Was inspiriert Sie und entscheidet jedes Mal, was Sie leiten möchten? Wie schwierig es ist, von der „Inspiration“ zur tatsächlichen Leitung eines Orchesters zu gelangen? Welches unter den von Ihnen dirigierten Musikstücken gefällt Ihnen selbst besonders gut und warum?

Es ist eine breite Palette von Werken, die mich berühren, insbesondere die postromantischen, modernen und zeitgenössischen Komponisten. Mich reizen strukturierte Werke mit langen Bögen, in denen der Geist des Komponisten verdeutlicht und die orchestrale Form kunstvoll herausgearbeitet wird. Die Hauptkriterien für die Auswahl der Werke sind sowohl die Bewahrung der Vielfalt der europäischen Musiktradition als auch die Hervorhebung neuer Tendenzen in der zeitgenössischen Musik. Meine persönliche Schwierigkeit bei Vorbereitung und Aufführung liegt darin, das Imaginären mit das Reale zur Deckung zu bringen, was mir, wenn es erreicht ist, Momente von unglaublicher Erfüllung und geistiger Erhabenheit beschert. Ich erinnere mich an meine Begeisterung bei Edward Elgars „In the South“, wo der Klang des Frankfurter Rundfunkorchesters erstaunlich war, sowie an den inneren Überschwang, den ich beim Dirigieren der „Paganini-Variationen“ von Boris Blacher mit dem Münchner Rundfunkorchester fühlte, einem Werk, das für seine emotionale Tiefe und technische Herausforderung bekannt ist. Um es zu dirigieren, braucht man Hände aus Stahl, ein Herz aus flammender Lava und den Mut eines Löwen.

Was ist die größte Angst einer jungen Dirigentin? Hat sie mit Inspiration und Kreativität zu tun, mit der Resonanz des Publikums, mit den Reaktionen der männlichen Dirigenten kollegen und der Musikgemeinschaft oder mit den Kritikern?

Es liegt in der Natur des Berufs, dass ein Orchesterdirigent an einer exponierten Position steht. In der Vergangenheit war ich ein Perfektionist und habe meine eigenen, hohen Maßstäbe gesetzt, die für die Arbeit mit dem Orchester jedoch manchmal hinderlich waren. Mit der Zeit habe ich erkannt, dass die Stärke in der menschlichen Schwäche liegt. Mit Geduld, Liebe, Sensibilität und Authentizität nähert man sich dem gewünschten Ziel und das Ergebnis kann beeindruckend sein.

MM5Sie haben den Titel der Botschafterin der griechischen Kultur in Europa. Erzählen Sie uns etwas über diesen Titel und was Sie bisher erreicht haben?

Mir wurde die besondere Ehre zuteil, den „Exaleiptron“-Preis für meinen Beitrag zur Förderung der griechischen Kultur im Bereich der Musik zu erhalten. Thematisch versuche ich, die griechische Kultur und die unauslöschlichen Spuren, die sie bei der Gestaltung Europas und seiner Werte hinterlassen hat, hervorzuheben. Durch die Gründung der CamerataEuropæa, des Orchesters von Europa, wollte ich aktiv zur Entwicklung von Parametern beitragen, die auf die Belebung, Nachhaltigkeit und Mobilität von Kulturakteuren sowie die grenzüberschreitende Verbreitung diverser künstlerischer Werke abzielen, damit wir Europa als unser gemeinsames Haus auf eine tiefere Weise erleben können. Durch die Schaffung individueller Konzertreihen möchten wir das Publikum einladen, die äußerst vielfältige und multidimensionale europäische Kultur zu entdecken und gleichzeitig die Ideale von Harmonie und Einheit als Grundpfeiler des europäischen Geistes zu ehren.

MM4Sie waren letzten Monat in Athen, um das Projekt „I am Human“ zu leiten. Erzählen Sie uns von diesem Konzert. Welche Botschaften wollten Sie dem Publikum vermitteln? Haben Sie von der Öffentlichkeit Athens die erwartete Resonanz auf diese Bemühungen erhalten?

Mit dem Programm „I AM HUMAN“ wollten wir unsere Zuhörer zum Nachdenken anregen und sie dazu bringen, sich den Herausforderungen unserer Zeit in einem anderen Geist zu stellen. Die mächtigen Mechanismen der modernen Gesellschaft konzentrieren sich hauptsächlich auf Verweltlichung,Materialismus, die Zerstörung wesentlicher moralischer Normen, die Kultivierung des Egos und die Selbstbespiegelung, was zur Entfremdung des Menschen von seinen Mitmenschen führt. Musik und Kunst können Brücken bauen, die Ecken und Kanten glätten und Verbindungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen schaffen und so diesen zersetzenden Status quo verändern. Die Reaktion des Publikums war unmittelbar und bewegend. Ich glaube, wir haben alle eine Dosis Sauerstoff und Optimismus für eine bessere Zukunft bekommen.

MM1In der derzeitigen angespannten Wirtschaftslage in Griechenland betrachten viele Menschen das Musikstudium als Luxus. Andererseits beobachten wir in Griechenland eine spektakuläre Zunahme kultureller Einrichtungen (Onassis-Kulturzentrum, Theocharakis-Stiftung, Stavros-Niarchos-Stiftung, neue Oper). Glauben Sie, dass das Interesse des griechischen Publikums an Kunst und Musik zugenommen hat, oder bleibt die Kunst immer noch eine Angelegenheit der Wohlhabenden, während die breite Öffentlichkeit sie als Luxus betrachtet?

Ich glaube, dass sich das Verhältnis der Griechen zur klassischen Musik und zur modernen Kunst im Allgemeinen verbessert hat. Musikalische Bildung ist weder ein Luxus noch ein Privileg einer bürgerlichen Klasse, sondern ein Muss für die Bildung einer vollständigen Persönlichkeit. In den fortgeschrittenen Gesellschaften war sie zu allen Zeiten, wie auch in der Antike, Teil einer umfassenden Bildung, die letztlich auf die höchste Kultivierung des Individuums abzielte. Wir wissen aus der Geschichte, dass allen politischen und sozialen Revolutionen intellektuelle und künstlerische Aufbrüche vorausgingen. Die griechische Kultur mit ihrem qualitativen Merkmal der Extrovertiertheit kann ein wichtiges Instrument zur Einflussnahme in den internationalen Beziehungen sein. Sie braucht weitere Unterstützung durch leistungsorientierte Prozesse, die Fortschritt und Exzellenz fördern. Musik und Kunst verleihen unserer Existenz Tiefe und Qualität, erhellen das Wesentliche und erweitern sie gleichzeitig als Mittel der Transzendenz.

MM9Woran arbeiten Sie derzeit und welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Mein Interesse gilt vor allem der Ausarbeitung und Entwicklung aktueller Themen, die klassische und zeitgenössische Formen mit neuen Trends und Anliegen verbinden und innovative Programme in experimentellen Räumen schaffen. Anlässlich des Krieges in der Ukraine, nach der Pandemie und der damit verbundenen Entfremdung plant die CamerataEuropæa eine Konzertreihe zum Thema L.O.V.E., die dem Publikum die Möglichkeit geben soll, Musik, Kunst und Kultur auf eine multidimensionale Weise zu entdecken und zu erleben. Ich freue mich besonders auf die weitere Zusammenarbeit mit internationalen Musikensembles und die Vorstellung griechischer Künstler in der griechischen und europäischen Szene.

https://www.mariamakraki.com/

https://www.camerata.eu/en/camerata/artistic-director/photos

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Fotos mit freundlicher Genehmigung von Maria Makraki

 

(PS)