Professor Dr. Theodoros A. Kallianos, als Gast bei der Redaktion des „Griechenland_Aktuells“, lässt uns in seinem Buch “ Without Compass? 30+…. Steps for Europe („Ohne Kompass ? 30+… Schritte für Europa“, auf Deutsch), in die Realität, die Komplexität und die Faszination der EU eintauchen. Ein überzeugter Europäer mit langer Erfahrung in der EU-Kommission erklärt uns mit spezifischen Beispielen den einmaligen Wert der EU und ihrer Leistungen und Erfolge, welche das Ergebnis eines langen Prozesses der Konvergenz und des Konsensus sind, egal ob sie heute selbstverständlich erscheinen. Dr. Kallianos, zur Zeit Lehrbeauftragter der Universität Bonn über EU-Integration, unterstreicht zudem die Bedeutung der Bildung der neuen Generation junger Europäer über die Arbeitsweise des europäischen Projekts, die in der Tat durch Komplexität gekennzeichnet ist, jedoch der erfolgreichste Klebstoff der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ländern, Völkern, Sprachen und Kulturen auf dem europäischen Kontinent ist. Dr. Kallianos bleibt fest davon überzeugt, dass das Wertesystem der EU immer ein Kompass zur Gestaltung der Zukunft von EU sein kann. Darüber hinaus, unterstreicht er, dass die Zeit günstig für eine politische Vertiefung der EU ist – trotz Meinungsverschiedenheiten oder nationalen Zögerns.
Hier das Gespräch:
Die Neuauflage Ihres Buches unter dem Titel „Without Compass? 30+…. Steps for Europe“ erschien kurz vor den Europawahlen 2019. Die zentrale Idee beruht auf der Grundlage einer offenen demokratischen Gesellschaft und einer sozialen Marktwirtschaft für die EU, die gerade dafür entstanden ist, um Frieden, Wohlstand und den Respekt der Menschenrechte im Europaraum zu garantieren. Κönnten Sie für uns die einzigartige Reise der Europäischen Union durch diese Perspektive kurz schildern? Welche Meilensteine halten Sie, als Professor für EU-Integration und ehemaliger EU Beamter, heutzutage für äußerst wichtig?
Zunächst möchte ich Sie zu Ihrem Online Magazin Griechenland Aktuell beglückwünschen und mich für Ihr Interesse an meinem Buch bedanken. In meiner Betrachtungsweise weist der nach dem zweiten Weltkrieg eingeleitete Integrationsprozess bzw. die Integrationsreise Europas fünf wichtige Meilensteine auf:
- Die im Jahre 1957 geschaffenen Gründungsverträge von Rom über EURATOM und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG);
- die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1989 und damit das Ende der Spaltung Europas;
- die Einführung des einheitlichen europäischen Binnenmarktes bzw. des Euro und die damit verbundene „friedliche Revolution“ durch die Abschaffung der internen Grenzkontrollen mit dem Vertrag von Maastricht im Jahre 1993;
- die große Erweiterung im Jahre 2004, die den Beitrittsweg für weitere (bis heute insgesamt 13) neue souveräne Staaten geöffnet hat, und
- das einmalige offizielle Austrittsgesuch des Vereinigten Königreiches aus der EU, das sog. BREXIT, was ja die Bedrohung des seit siebzig Jahren friedlichen europäischen Integrationsprozesses durch einen nationalistischen Populismus in einem EU-Mitgliedsstaat offenbart hat.
Sie waren für Jahrzehnte in der Europäischen Kommission tätig. Sie haben sich auch lange mit der Regional- und Kohäsionspolitik der EU beschäftigt. Wie funktioniert eigentlich die Regional- und Kohäsionspolitik als EU-Investitionspolitik für alle Regionen der EU? Wie tragen die EU-Regionalprogramme dazu bei, Ungleichheiten in der EU abzumildern? Hat der Begriff „Kohäsion“ heute noch einen Sinn? Gibt es, Ihrer Meinung nach, eine immer größere Konvergenz zwischen den EU-Regionen oder eine zunehmende Ausweitung der Divergenz?
Die europäische Regionalpolitik wurde stufenweise gleichzeitig mit der ersten Erweiterung um Großbritannien, Dänemark und Irland eingeführt. Man glaubte damals, dass die stark durch Zuschüsse unterstützte Agrarpolitik die existierenden regionalen Disparitäten vor allem in denländlichen Gebieten, abschaffen würde. Die nachfolgenden Erweiterungen durch den Beitritt Griechenlands, Portugals und Spaniens, sowie die regionalen Effekte des Binnenmarktes haben die regionalen Disparitäten jedoch eher vergrößert als vermindert.
So können im Rahmen der heutigen Regional- und Kohäsionspolitik der EU nur die „abgeschlagenen“ Regionen gefördert werden, um den Abstand zwischen den Regionen zu verringern. Schaut man auf der Landkarte, stellt man eher eine Zentrum-Peripherie Disparität. Die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in wirtschaftsstarken Regionen verstärkt eher noch die vorhandenen Disparitäten. Die Förderung der nachhaltigen Entwicklung wird anhand von spezifischen Kriterien und unterschiedlichen Zielen in allen Regionen angewandt. Um diese Ziele zu erreichen und die unterschiedlichen Entwicklungsbedürfnisse in allen EU-Regionen zu berücksichtigen, wurden 351,8 Mrd. EUR – also fast ein Drittel des gesamten EU-Haushalts – für die Kohäsionspolitik im Zeitraum 2014-2020 vorgesehen. Hier die verschiedenen Finanzierungsinstrumente :
Die Regionalpolitik verfügt über zwei Finanzierungsinstrumente: den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Kohäsionsfonds (KF). Gemeinsam mit dem Europäischen Sozialfonds (ESF), dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) bilden sie die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds). Hier möchte ich die starke Unterstützung dieser Kohäsionspolitiken durch Finanzierungen von Großinfrastrukturprojekten und produktive Investitionen durch die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxembourg erwähnen. Lassen Sie mich bitte ergänzen, dass die Verantwortlichkeit der Erfolgskontrolle, die Förderkriterien, sowie die Mittelvergabe und deren Bekanntgabe sowohl von der EU als auch von den Mitgliedstaaten gemeinsam getragen werden.
Wir leben in Zeiten nicht nur wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen sondern auch der Stärkung der politischen Extreme und der zunehmenden Verringerung der Glaubwürdigkeit der EU und überhaupt der Politik. In Ihrem Buch heben Sie die Vertiefung des Dialogs und die Klärung der europäischen Prioritäten als wichtige Voraussetzungen hervor, um aktiv die europäische Vision weiter zu verteidigen und letztendlich am Europa von morgen teilzunehmen. Wie könnte das in der Tat funktionieren?
In der Tat haben die Krisen der letzten Jahren (Finanz- bzw. Wirtschaftskrise, Migration) „Besserwissern“ auf allen Ebenen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Anlass zu vielen gegensätzlichen Fehlinterpretationen der Realität gegeben. Es versteht sich von selbst, dass solch eine Realität für den Durchnittsbürger verwirrend ist. Sie verführt ihn leicht zu Taten und Verhaltensweisen, die irrationell sind. Es gibt jedoch markierte Wege, die wir mit einem „Werte-Kompass“ weiter führen können. Das Wertesystem der EU, das als Präambeldes Lissaboner Vertrages festgeschrieben wurde, sollte hierfür der wichtigste Kompass sein! Deswegen wurde erin den Epilog meines Buches wörtlich zitiert.Man kann diesen Text in 24 offiziellen Sprachen online finden, was ja eine Zugänglichkeit für mehr als 500 Millionen Bürger in 28 Mitliedstaaten bedeutet. Durch meinen Vorteil, mich in vier Sprachen ausdrücken zu können, habe ich mit Hunderten von Menschen und Vertretern aus verschiedenen Regionen der EU gerade über diesen Bündel an Werten diskutiert. Alle waren in der Akzeptanz dieser Grundprinzipien fast einig und meinten, eine Vertiefung des Dialogs zwischen Bürger aus unterschiedlichen Staaten, könnten exzellente Auswirkungen haben.
Νach 40 Jahren der Mitgliedschaft Griechenlands in der EU, wie populär ist heute die EU und die „europäische Idee“ in unserem Land? Wie stark ist das Gefühl des heutigen Griechen und der heutigen Griechin, dass sie Europäer sind? Was meinen Sie dazu?
Nach vielen Jahren Erfahrung in Europa erlauben Sie mir deutlich zu betonen: Griechenland ist Europa und Europa ist Griechenland. Die europäische Idee und Solidarität nach dem II Weltkrieg ist sehr stark im Lande zusammengewachsen trotz punktueller oder zeitbegrenzter Fehlentwicklungen. Die griechische Unabhängigkeit sowie die Rettung der Demokratie haben ihre Wurzeln in Europa. Viele Griechen studieren, arbeiten und leben heutzutage in vielen Ländern der EU, vor allem in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, sind erfolgreich und durchaus integriert. Die existierenden interkulturellen Differenzen stellen für sie keine Hindernisse dar, sondern eine Herausforderung zum friedlichen Zusammenleben.
Die EU wird heftig kritisiert wegen des Mangels an Transparenz und wegen der Unfähigkeit, ihre eigenen greifbaren Errungenschaften und Erfolge an die EU-Bürger zu vermitteln. Wie erleben Sie diese Kritik?
Die Erfolge der EU, wie Frieden, Demokratie, Rechtssaat, Mobilität und Freizügigkeit der EU-Arbeitnehmer und -Bürger gelten heute als Selbstverständlichkeiten und nicht als Resultat eines Integrationsprozesses, der seit mehr als 70 Jahren auf Kooperation und Solidarität zwischen den beteiligten Staaten basiert. Es ist zwar richtig, dass die Entscheidungsverfahren der EU-Institutionen komplex und daher nicht populär für die Medien sind. Nach einem EU-Gipfel brauchen Sie nur die Massenmedien zu lesen. Die Berichte über Erfolge oder Misserfolge der Verhandlungen sind oft verwirrend, zumal die Betrachtungsweise von „wir und den anderen“ vorherrschend ist. Dies ist praktisch ein Geschenk für Populisten und „Meinungsmacher“ in allen europäischen Regionen mit entsprechendnegativen Auswirkungen.
Das erlebe ich in französischen, deutschen und griechischen Regionen, wo ich beispielsweise höre, dass die EU die dortige lokale Landwirtschaft vernichtet habe, was ja, wie Sie sehr gut wissen, gar nicht stimmt. Dass das Vereinigte Königreich dank seiner EU-Mitgliedschaft heute keine „Insel“ mehr ist, hören Sie fast nie. Von Brüssel aus können Sie London jedoch über den Landweg mit dem Eurostar-Zug in weniger als zwei Stunden erreichen. Leider hat die EU diesbezüglich wenig Handlungsspielraum. Sie ist einer pragmatischen Berichterstattung verpflichtetund das bedeutet, sie muss die Bürger über die hierfür relevanten Mechanismen, Informationsnetzwerke und Institutionen entsprechend informieren.
Inwiefern werden die jungen Menschen von dieser Kritik gegenüber der EU heutzutage beeinflusst? Was meinen Sie dazu?
Die „jungen Menschen“ als homogene Gruppe gibt es leider nicht und wer denkt, Jugendliche in Europa sind sich irgendwie ähnlich, der irrt. Es gibt verschiedene Milieus, Unterschieden zwischen Stadt und Land, zwischen Jugendlichen aus kosmopolitischen und prekären Verhältnissen, es gibt konsum-orientierte und ökologisch-bewusste Jugendliche. Und es gibt nach wie vor keine „transnationale europäische Identität“ sondern junge Franzosen, Italiener, Deutsche, Spanier, Griechen…und vor allen Dingen keine gemeinsame Sprache. Unter diesen Voraussetzungen eine Begeisterung für etwas „Abstraktes“ zu schaffen, bleibt weiterhin ein schwieriges Unterfangen, das nicht nur kognitiv gelöst werden kann.
Laut der aktuellen Studie im Auftrag der TUI-Stiftung (Junges Europa 2017 – so denken Menschen zwischen 16 und 26 Jahren) haben allerdings alle Jugendliche etwas Gemeinsames: 53% der jungen Europäer sind „eher zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit der Europäischen Union. Argumente des Friedens, der gemeinsamen Währung, des freien Reisens überzeugen nicht mehr. Vieles ist (nicht nur) für die jungen Menschen selbstverständlich geworden, „vielleicht zu selbstverständlich und über Selbstverständlichkeiten freut man sich eben nicht“, so die TUI-Studie.
Kann man heute zum Trotz der vorhandenen Euroskepsis die Begeisterung der 50er Jahre für Europa reaktivieren und die großartige Idee, die hinter dem europäischen Projekt steckt, an junge Menschen vermitteln?
Ja, man kann es obwohl weder die Bedingungen noch die Strukturen und Anzahl der Staaten ähnlich sind. Es ist allerdings eine langfristige, mühselige Angelegenheit, die viele Gespräche mit vielen Verantwortlichen auf vielen Ebenen erfordert, aber das ist die einzige Möglichkeit, die uns bleibt. Schnelle Lösungen gibt es nicht. Den Europa-Gedanken kann man nur stärken wenn man langfristig in euregionale, regionale, nationale und europäische Bildungsprojekte investiert, angefangen von KITAs und Grundschulen. Es ist ein ständiger Lernprozess, im Rahmen dessen den Schüler(-innen) die Möglichkeit gegeben werden soll, Europa emotional zu erfahren und nicht als „bürokratisches Etwas“ in Brüssel, das mit ihrem Leben keine greifbaren Berührungspunkte hat. Im Fokus sollen Bildungsprogramme stehen, die die jungen Menschen abholen, da wo sie sind und diese mitgestalten lassen. Das „ERASMUS“-Programm, „teachers4Europe“, „e-twinning“ sind einige von ihnen.
Ein Beispiel, wie man Europa emotional „erleben“ kann bieten die Euregioprofilschulen in der Grenzregion der Euregio Maas-Rhein. Das ist ein wenig bekanntes und doch sehr bemerkenswertes Programm einer europäischen Grenzregion. Hier handelt sich um Grundschulen in der Grenzregion zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden, die euregionale Inhalte in den Unterricht integrieren, mit gleichen dreisprachigen pädagogischen Materialien arbeiten und den Schüleraustausch mit den Nachbarregionen stärken. Für die Schulkinder der Euregioprofilschulen ist die Euregio Maas-Rhein ihre Heimat, das erfahrbare, nahe liegende Europa der Nachbarschaft. Es wäre nicht übertrieben, wenn man sagen würde: Europäische Integration findet hier ganz konkret und greifbar nah statt.
Was könnte die Kritik gegenüber der EU und die Wahrnehmung der jüngeren Generationen über die EU für die bevorstehende Europawahl bedeuten? Was halten Sie von den Prognosen, die behaupten, die Europawahlen in einigen Mitgliedsstaatenvon nationalen Akzenten beeinflusst werden? Stimmt das, überhaupt, Ihrer Meinung nach?
Laut glaubwürdigen Prognosen sind in einigen Mitgliedstaaten leiderdie Europawahlen von starken nationalen Akzenten von den politischen Parteien schon stark beeinflusst. Das ist das Ergebnis einer permanenten Fehlinterpretation der Repräsentation der Bürger im europäischen Parlament. Auch die politischen Debatten beinhalten mehr nationale Themen statt europäische, sodass das Interesse der Wähler zur Beteiligung an den bevorstehenden Wahlen in manchen Mitgliedstaaten gering bleiben wird. Das Beispiel von der Slowakei, ein Land das eine starke finanzielle Hilfe seit seinem Beitritt im 2004 erhalten hat, ist – und das hoffe ich stark- einmalig: Es zeigte eine 13% (!) Beteiligung an den EU Wahlen von 2014 im Vergleich zum 43,06% des EU-Durchschnitts. Im Vereinigten Königreich ist das Klima heute- bedingt durch die BREXIT-Debatte- stark polarisiert und wenig auf die EU-Zukunft orientiert. PM May war bei der EU-Ratssitzung am 09.05.2019 in Sibiu nicht anwesend. Obwohl mehr als 200 Parteien diesmal kandidieren, erkennt die Mehrheit der europäischen Wähler nicht zu welchen der 7-8 Parteiformationen des nächsten europäischen Parlaments diese Parteien angehören werden und welche Interessen sie folglich vertreten werden. Zum Beispiel, ein Kandidat der Parteien NeaDimokratia, SYRIZA oder KINAL in Griechenland oder der Parteien CDU, CSU, SPD und DieGrünen in Deutschland, repräsentiert für den Wähler meistens nur das, was der letzte im Rahmen der nationalen politischen Debatte versteht. Nicht jedoch welche seine Zielsetzungen im europäischen Parlament sein werden. Das europäische Parlament arbeitet beispielsweise nach dem Prinzip der Kooperation und des Konsens, da es im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten nicht alleiniger Gesetzgeber ist. Es muss seine Gesetzesvorstellungen gegenüber dem Europäischen Rat und der Kommission, im Rahmen eines „Trilogs“, durchsetzen. Die Euroskepsis wird also leider nicht und unmittelbar zu bekämpfen sein. Trotzdem bleibe ich optimistisch, was die positive Auswirkung des Lern- bzw. Wahrnehmungsprozesses betrifft, insbesondere auch hinsichtlich der Offenheit der neuen Generation, die derer Schulbildung geschuldet ist, wie auch in meinem Buch erwähne. Ich bleibe noch optimistisch, da sich die wirtschaftliche Situation in der EU insgesamt verbessert hat und die Maßnahmen, die nach der Krise getroffen wurden, sich langsam positiv auswirken. (z.B. im Bereich der Stabilisierung der Eurozone und der Migration).
Abgesehen von der bevorstehenden Europawahl, geht die Debatte über die Zukunft der EU, natürlich mit vielen Argumenten und manchmal sogar mit Auseinandersetzungen, weiter. Wie günstig ist unsere Zeit, Ihrer Meinung nach, für eine politische Vertiefung der EU?
Der globale Wirtschaftstrend zeigt, dass die internationale Konkurrenz, insbesondere China und die USA, versuchen, die Wirtschafskraft der EU zu übertreffen. In diesem Fall werden die heutigen Realitäten der EU, nämlich eine exportorientierte starke Wirtschaft und Währung, sowie ein gerechtes Wertesystem infrage gestellt. Daher braucht man auf EU-Ebene bessere, schnellere und effektivere Entscheidungen. So hat der Europäische Rat in Sibiu am 09.05.2019 u.a. folgendes erklärt: „Wir werden für die nächsten Generationen von Europäerinnen und Europäern die Zukunft sichern. Wir werden in jungen Menschen investieren und eine zukunftsfeste Union aufbauen, die die drängendsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen kann.”
Nach meinem Verständnis bedeutet das, dass die Zeit günstig ist für eine politische Vertiefung der EU trotz Meinungsverschiedenheiten oder nationalen Zögerns. Dafür haben wirin der Vergangenheit teuer bezahlt. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Dauer von 2 Jahren für die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages Ende 2009, obwohl die Wirtschafts- und Finanzkrise bekanntermaßen ante portas war…
In der Tat gab dieser Vertrag, der am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, die relevanten Antworten auf die damaligen Bedürfnisse nach mehr Demokratie, Transparenz und Abbau der Disparitäten. Gleichzeitig hat er zum ersten Mal eine eindeutige Zuordnung der Zuständigkeiten „Wer macht Was und Warum“ unterden Mitgliedstaaten und der EU- Institutionen eingeführt. Der freiwillige Austritt aus der Union sowie die Verstärkung des Europäischen Parlaments bei der Entscheidungsfindung in Zusammenarbeit mit dem Rat waren einige der neuen Elemente dieses Reformvertrages.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser rechtliche Rahmen besser denn je die Interessen sowohl der Mitgliedstaaten als auch der EU zusammenwachen lässt und die Prioritätsetzung erleichtert, die eine wichtige Grundlage für die Programmierung unserer gemeinsamen Zukunft ist.
Dr. Theodoros A. Kallianos bei der Konferenz „Pädagogik und Politik“, in Lizori, Juli 2018
Das Interview führte Chrysoula Archontaki
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