Das griechische Osterfest ist das bedeutsamste Kirchenfest und der Höhepunkt aller christrlich-orthodoxen Feiertage. Es zählt zu den wichtigsten Traditionen in Griechenland. Die Woche vor dem Ostersonntag, die Karwoche oder die Große Woche genannt, ist eine besondere Zeit für alle orthodoxen Christen. Es werden während dieser Woche die Leiden Jesu Christi auf eine Art und Weise dargestellt, die stark an die antike griechische Tragödie erinnert. Es geht eine lange, vierzigtägige Fastenzeit voraus, in der man kein Fleisch isst. Während der Großen Woche verzichtet man auf Öl und Milchprodukte. Die Große Woche beginnt am Großen Montag und gipfelt am Großen Samstag um Mitternacht, mit der festlichen Begehung der Auferstehung Jesu Christi.
Während der Großen Woche wird Abend für Abend das Leiden und das Opfer Jesu dargestellt. Am Großen Dienstag wird das beliebte und sehr bekannte Tropárion von Kassianí vorgetragen, eine Dichtung von eminentem literarischem Wert. Am Großen Mittwoch erhalten die Gläubigen nach dem Gottesdienst mit einem Wattebällchen, welches in Öl eintaucht wurde, das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn. Eine symbolische Handlung, damit man am nächsten Tag den Segen des Pfarrers empfangen kann.
Der Große Donnerstag oder Gründonnerstag ist bereits ein erster Höhepunkt. Es werden während dieses Gottesdienstes ausgewählte Passagen aus allen Evangelien vorgelesen. Deshalb nennt man diesen Tag auch den Tag der zwölf Evangelien. Nach dem sechsten Evangelium gehen alle Lichter in der Kirche aus. Alle Gläubigen tragen eine Kerze und verfolgen mit Andacht die Darstellung der Kreuzigung von Jesus und singen dabei das Kirchenlied „Heute wird Er an das Holz gehängt…“. Es ist ein Augenblick hoher Emotionen. Das Kreuz mit der Darstellung des Leichnams von Jesus Christus wird in die Mitte der Kirche gestellt und die Gläubigen legen Blumen und Kränze nieder. Im Anschluß daran werden die letzten sechs Evangelien vorgelesen.
In vielen Kirchen kommt es vor, dass junge Frauen aber auch junge Männer die ganze Nacht beim Leichnam Jesu verbringen und das Kreuz mit weißen und roten Blumen schmücken. Am Karfreitag läuten alle fünf Minuten die Kirchenglocken mit einem einzigen Ton – ein Ausdruck der Trauer. Der große Freitag beginnt mit einer kleinen Messe um die Mittagszeit, in der die sogenannte Apokathilosis, also die Abnahme des Körpers Jesu vom Kreuz und die Grablegung gelesen wird. Danach wird der Leichnam in ein weißes Laken gehüllt und auf den Epitáfios gelegt. Das meistens goldbestickte Tuch mit dem Leichnam und auch der Epitáfios werden mit Blumen geschmückt und vom Pfarrer mit Myrrhe besprüht. Dies alles dient der Vorbereitung für den Rundgang um die Kirche, dem sogenannten Epitáfios – der nachempfundenen Grablegung Jesu, welche am Abend des Karfreitags stattfindet. Nach dieser kleinen Prozession, wird der Epitáfios vor dem Eingang der Kirche hochgehoben, damit alle Gläubigen, alt und jung, unter ihm durchlaufen und den Segen des Herrn erhalten.
Am Großen Samstag, noch in der Frühe, geht man nochmals in die Kirche und nimmt Brot und Wein zu sich, um an der Auferstehungsmesse in derselben Nacht „gereinigt“ teilzunehmen. Dieser ganz besondere Gottesdienst beginnt etwa zwei Stunden vor Mitternacht. Alle, feierlich gekleidet und mit einer Kerze in der Hand, warten auf das sogenannte Heilige Licht, das vom Pfarrer weitergereicht wird. Anschließend, um Mitternacht erklingt dann endlich das so bekannte Kirchenlied, drei Verse, die alle mitsingen. Christós anésti ek nekrón (Christus ist auferstanden von den Toten), thanáto thánaton patísas (mit Seinem Tod hat Er den Tod besiegt), kai tis en tis mnímasi (und denen, die in den Gräbern waren), zoín charisámenos (das Leben geschenkt). Während der Pfarrer und die Menschenmenge diese drei Verse zusammen singen, läuten feierlich die Glocken, große Feuerwerke erhellen den Himmel, die Kerzen brennen, alle umarmen und küssen sich. Man spricht sich gegenseitig die Worte Christós Anésti (Jesus ist auferstanden) und Alithós Anésti (Er ist wahrhaftig auferstanden) zu. Schließlich wünschen sich alle gemeinsam noch Chrónia pollá (Alles Gute).
Nach den Glückwünschen gehen die meisten nach Hause, um mit das „heilige Licht“ in ihr Heim zu bringen. Mit dem Licht der Kerze wird ein Kreuz aus Ruß über dem Eingang gezeichnet. Dies soll Segen für die Familie und das Haus spenden. Die Familie und Freunde versammeln sich, um das erste Fleischgericht nach einer langen Fastenzeit, die sogenannte Majirítsa zu genießen. Die traditionelle Suppe besteht hauptsächlich aus den Innereien des Osterlamms und verschiedenen, aromatischen Kräutern sowie einer Zitronensoße. Außerdem werden die, bereits am Gründonnerstag, rotgefärbten Eier (sie symbolisieren das Blut Jesu) gegeneinander geschlagen und derjenige, dessen Ei ganz bleibt und nicht beschädigt wird, ist der Glücklichste für das ganze Jahr. Beim mitternächtlichen Essen dürfen natürlich das traditionelle Osterbrot (Tsuréki) und das griechische Ostergebäck (Kulurákia) nicht fehlen.
Am Ostersonntag wird dann das Lamm gegrillt, meistens im Freien, wenn das Wetter nicht schlecht ist. Es wird lange gegessen, getrunken, getanzt und gebührend gefeiert. Es handelt sich um eine jahrhundertalte Tradition, die immer noch heute, vor allem auf dem Land und in der griechischen Provinz, lebendig bleibt.
(AL)