Es ist das Verdienst des großen französischen Gelehrten Fernand Braudel, der in seinem bahnbrechenden Werk „La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II“ erstmals das Mittelmeer als eine Einheit darstellte und die darin entstandenen Zivilisationen erforschte. Die Odyssee von Homer, entstanden um das 8. vorchristliche Jahrhundert, ist das älteste literarische Werk der westlichen Welt. Es beschreibt nicht nur das Mittelmeer und die in der Zeit lebenden Völker, sondern es ist ein großes Zeugnis für die frühe Handelstätigkeit des griechischen Volkes —nicht nur auf diesem Meer. Denn um die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr., begannen die Griechen in die westliche Mittelmeerwelt vorzudringen. Aus dieser frühen Handelstätigkeit sind viele Städte wie Marseille (Massalia), Nizza (Nikaia), Antibes (Antipolis), Neapel (Neapolis), Reggio (Rhegion), Syrakus (Syrakusai), Taormina (Tauromenion) und Palermo (Panormos) entstanden. Vor allem Sizilien und Süditalien wurden in unvergleichlicher Dichte in dieser frühen vorchristlichen Zeit besiedelt. Ferner trieb es die Griechen auch an die Südküste des Schwarzen Meeres.
Seit dieser anfänglichen Zeit ist viel geschehen, eines ist jedoch unverändert geblieben: Dass das griechische Volk immer noch heute, so wie vor dreitausend Jahren, hauptsächlich ein Seevolk ist. Griechische Eigentümer besitzen heute mit Abstand die meisten Tankschiffe der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Präsenz der griechischen Schiffe auf den Weltmeeren immer größer geworden. Jahrzehntelang dominierten sie den Rohöltransport. Namen, wie des Aristoteles Onassis oder Stavros Niarchos, sind heute legendär —nicht nur in Griechenland. Laut den heutigen Statistikzahlen gehören zu der griechischen Handelsschifffahrt 21% der internationalen‒ und 53% der EU‒Flotte. Im Einzelnen wurde aufgelistet, dass 22,5 % der griechischen Schiffe den Handel zwischen den USA und der EU bedienen; 20,3 % sind dagegen im Handelsgeschäft zwischen der EU und den USA tätig. 31,8 % wiederum betreffen Geschäfte mit asiatischen Staaten.
In der letzten Zeit, als es sich klar zeigte, dass die gesamte EU vor einer beispiellosen Gaskrise steht, hat die griechische Schifffahrt auch die Gastanker und den Transport von Flüssiggas entdeckt. Die griechischen Reeder hatten das richtige Gespür gehabt. Sie waren schneller als viele anderen und haben in den vergangenen Jahren in den Bau von Gastankern investiert. Sie verfügen heute über die weltweit modernste Flotte dieser Schiffe. Nach Angaben des Hellenischen Reederverbandes EEE kontrollieren die griechischen Reeder nahezu 16 Prozent der globalen Gastankerflotte.
Nach Berechnungen der Londoner Schiffsdatei „Vessels Value“ verfügte Griechenland Ende 2021 über LNG–Tanker im Wert von 19,1 Milliarden Dollar. Damit liegen die griechischen Reeder weltweit an der Spitze, gefolgt von Japan und China mit Flotten im Wert von 18,1 und 10,5Milliarden Dollar. Hinzu kommt noch, dass die griechischen Schiffe im Schnitt erst fünf Jahre alt sind.
LNG (Liquified Natural Gas) ist der Name für die Lösung eines heiklen Problems. Das Flüssiggas entsteht wenn man Erdgas auf eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius herunter kühlt. Es wird dabei verflüssigt und auf ein Sechsthundertstel seines Volumens komprimiert. So lässt es sich dann leicht in Tankern transportieren. Erdgasproduzenten und Abnehmerländer werden dadurch unabhängiger von Pipelines.
Griechenland nahm bereits 1999 seine erste LNG‒Anlage auf der Felseninsel Revithousa bei Athen in Betrieb. Vor gut zwei Monaten wurde der Bau des schwimmenden LNG‒Terminals für verflüssigtes Erdgas in Alexandroupolis angekündigt. Dies wird Griechenland zu einem Energietor machen und die Energiesicherheit in Griechenland und in seinen Nachbarländern in ganz Südosteuropa gewährleisten. Das Terminal in Alexandroupolis soll ein viertes Gasimporttor in Griechenland mit einer Kapazität von bis zu 700.000 Kubikmetern pro Stunde oder 6,1 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr schaffen.