Griechische Kunst vor der Münchner Schule
Das antike Griechenland gilt allgemein als die Wiege der Künste. In der modernen Zeit jedoch begannen sich die Künste in Griechenland erst im 19. Jahrhundert zu entwickeln. Während der intellektuell und kulturell glanzvollen Epochen der Renaissance, der Reformation und der Aufklärung – in denen der Geist des antiken Griechenlands eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Kunst, Literatur und Wissenschaft war – war Griechenland praktisch vom Rest der westlichen Welt abgeschnitten.
Unter der osmanischen Herrschaft bestand Griechenland aus kleinen ländlichen Gemeinden, in denen die Menschen fast ausschließlich in der Landwirtschaft, der Schifffahrt und dem Handel tätig waren, wodurch viele finanziellen Erfolg erzielten. Das Fehlen großer urbaner Zentren sowie jeglicher organisierter Kunsteinrichtungen führte zu einem nahezu vollständigen Niedergang der Künste. Darüber hinaus führte das Fehlen eines organisierten Staates und staatlicher Infrastrukturen zu lokaler Isolation und einem daraus resultierenden Mangel an einer einheitlichen nationalen Identität.
Unter diesen Umständen konnte die Kunst – insbesondere die säkulare Kunst – nicht gedeihen. Ikonographen, die im postbyzantinischen Stil malten, waren weiterhin tätig und schmückten Kirchen und Klöster mit ihren Heiligenbildern. Die westliche Kunst beeinflusste die Ikonografie in jenen Teilen Griechenlands, die nicht unter osmanischer Herrschaft standen – insbesondere auf Kreta im 15. bis 17. Jahrhundert sowie auf den Ionischen Inseln, die der Republik Venedig unterstanden. Die kretische und die ionische Schule standen jedoch weiterhin unter dem Einfluss der postbyzantinischen Malerei, die überwiegend aus religiösen Werken bestand. Dennoch fanden sich auch Porträts sowie einige historische und Genreszenen, die jedoch nur ein begrenztes Publikum erreichten.
Die Geburt der Münchner Schule
Mit der Entstehung des modernen griechischen Staates und der Entwicklung einer nationalen Identität bildete sich allmählich auch das Konzept der „griechischen Kunst“. Im Jahr 1837 wurde eine Kunsthochschule gegründet, die sich zunächst auf Architektur konzentrierte. Im Jahr 1843 folgte die Einrichtung einer Schule für Schöne Künste als Abteilung dieser Hochschule, aus der später die Athener Kunsthochschule hervorging.
Wer jedoch über bemerkenswertes Talent verfügte und eine glänzende Karriere in der Kunst anstrebte, absolvierte zusätzlich eine akademische Ausbildung im Ausland. Paris war dabei eines der bevorzugten Ziele – verständlicherweise, da die Stadt als Leuchtturm der Kultur galt und Französisch in den höheren Gesellschaftsschichten weit verbreitet war.
Dennoch gab es einige entscheidende Faktoren, die München in dieser Zeit zum bevorzugten Ziel griechischer Kunststudenten machten. Der wichtigste Grund dafür war die enge Verbindung, die Griechenland zu Bayern und seiner Hauptstadt aufgebaut hatte – eine Beziehung, die auf König Otto zurückging, der aus der bayerischen Dynastie der Wittelsbacher stammte. Daher stellte der griechische Staat zahlreichen herausragenden Kunststudenten Stipendien zur Verfügung, um ihr Studium an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in München fortzusetzen.
Darüber hinaus entwickelte sich München in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Zentrum der bildenden Künste, insbesondere der Malerei. In Deutschland bezeichnete die „Münchner Schule“ eine Gruppe von Malern, die dort ausgebildet wurden und in vielen Fällen selbst an der Akademie lehrten. Sie wurden zu Mentoren für griechische Künstler, die später die griechische Version der „Münchner Schule“ prägten.
Es ist erwähnenswert, dass unter König Ludwig I., dem Vater des griechischen Königs Otto, in München zahlreiche bedeutende neoklassizistische Gebäude errichtet wurden. Ludwig I. war ein großer Bewunderer des antiken Griechenlands und ein Förderer der Künste. In seiner Regierungszeit entstanden zahlreiche Museen, die mit Antiquitäten und internationalen Meisterwerken gefüllt wurden. Dies brachte der Stadt den Beinamen „Athen an der Isar“ ein.
Der neoklassizistische Stil prägte nicht nur München, sondern beeinflusste auch maßgeblich die Architektur der griechischen Hauptstadt, wo er sich in zahlreichen öffentlichen Gebäuden und Privathäusern widerspiegelte. All dies trug zur engen Verbindung zwischen den beiden Städten bei: Bayern ließ sich von der glorreichen Vergangenheit Griechenlands inspirieren, während die bayerische Regierung versuchte, auf dieser Grundlage die nationale und kulturelle Identität des neuentstehenden griechischen Staates zu formen.
Hauptmerkmale
Die deutsche Münchner Schule war zu dieser Zeit die führende Strömung der akademischen Malerei in Deutschland und erlangte in ganz Europa große Bekanntheit. Sie zeichnete sich durch einen naturalistischen Stil aus, der sich zunehmend von der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts entfernte. Die Künstler widmeten sich vor allem der Darstellung historischer Szenen, aber auch Genreszenen, Landschaften und Porträts gehörten zu ihrem Repertoire.
Der Malstil der griechischen Münchner Schule lässt sich als akademischer Realismus beschreiben. Menschen und Objekte wurden mit naturalistischen Details dargestellt, wobei die Künstler bemüht waren, die Gesichtsausdrücke der porträtierten Personen einzufangen und ihre Emotionen authentisch zu vermitteln. Ein ausgewogenes Spiel von Licht und Schatten spielte ebenfalls eine zentrale Rolle, wobei die meisten Künstler großzügig das Helldunkel (Chiaroscuro) einsetzten. Zu den typischen Themen gehörten Landschaften, Porträts, Genreszenen, Stillleben und Historienmalerei.
Die Genremalerei wird besonders mit der Münchner Schule in Verbindung gebracht, insbesondere in Griechenland, wo sie auch als Ropographia („Darstellung trivialer Dinge“) bekannt war. Häufiger jedoch wurde sie als Ethographia (wörtlich „Studium der Sitten“) bezeichnet, ein Begriff, der aus der griechischen Literaturkritik stammt. Die Motive dieser Malerei entstammen dem alltäglichen Leben, vor allem im ländlichen Kontext, wobei Menschen bei der Ausführung alltäglicher Aufgaben, der Landarbeit oder beim Feiern dargestellt werden.
Einflussreich für die griechische Genremalerei waren auch die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts sowie die deutsche Biedermeiermalerei, vor allem aufgrund ihrer Ähnlichkeiten in Themen und Ikonographie.
Die Historienmalerei hingegen zog ihre Inspiration hauptsächlich aus der jüngeren Geschichte Griechenlands, insbesondere aus den Helden und Schlachten des griechischen Unabhängigkeitskrieges, der zur Abspaltung Griechenlands vom Osmanischen Reich und zur Gründung eines freien Staates führte.
Wichtige Künstler
Unter den Hauptvertretern der Münchner Schule erlangten Nikephoros Lytras (1832–1904), Nikolaos Gyzis (1842–1901), Georgios Iakovidis (1853–1932) und Konstantinos Volanakis (1837–1907) die größte Berühmtheit. Tatsächlich wurden diese Maler auch über die Grenzen des griechischen Staates hinaus weithin anerkannt und gelten als Meister der ursprünglichen Münchner Schule, nicht nur ihres griechischen Pendants.
Lytras und Gyzis waren die bedeutendsten Genremaler in Griechenland, Iakovidis war in der Porträtmalerei und in der Darstellung von Kindern besonders ausgezeichnet, während Volanakis mit seinen Seestücken und seiner besonderen Lichtgestaltung hervortrat und sich so vom Rest der Gruppe abhob. Alle von ihnen wurden bedeutende Lehrer an der Athener Kunsthochschule, mit Ausnahme von Gyzis, der Professor an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in München wurde und die meiste Zeit im Ausland lebte.
Weitere bedeutende Maler sind Theodoros Vryzakis (1814/19–1878), berühmt für seine Darstellungen von Kriegsszenen aus der griechischen Revolution, Polychronis Lembesis (1848–1913), ein Genremaler, Nikolaos Vokos (1854–1902), bekannt für seine Stillleben, Ioannis Zacharias (um 1845–um 1873), Epameinondas Thomopoulos (1878–1976), Ioannis Koutsis (1860–1953), Stylianos Miliadis (1881–1965), Nicolaus Davis (1883–1967) und Nikolaos Alektoridis (1874–1909).
Obwohl der Einfluss der Münchner Schule noch in den Werken von Malern des frühen 20. Jahrhunderts wie Spyridon Vikatos (1878–1960) und Thalia Flora-Karavia (1871–1960) erkennbar ist, markierte der Einfluss des Impressionismus und insbesondere des Expressionismus sowie des Symbolismus auf die griechische Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Ende der Bewegung.
Titelbild: Porträts der Künstler von links nach rechts:
Obere Reihe: Nikephoros Lytras, Nikolaos Gyzis, Polychronis Lembesis,
Untere Reihe: Theodoros Vryzakis, Georgios Iakovidis, Konstantinos Volanakis
Originaltext: Greek News Agenda, „The Munich School, the first artistic current in the modern Greek state“