Unmittelbar nach dem 28. Oktober 1940 wollten die Mitarbeiter des Archäologischen Nationalmuseums die wertvollen Exponate aus Angst vor möglichen Bombenangriffen schützen. Weil es schwierig war, die massiven Statuen zu transportieren, dachten Archäologen, Wachen, Bildhauer, Handwerker und Restauratoren daran, Gräben unter den Böden des Gebäudes zu graben und sie dort – nach sechs Monaten harter Arbeit – sicher zu vergraben. Die Bemühungen um den vollständigen Schutz der Antiquitäten in allen Museen des Landes, Delphi, Olympia, Kreta waren heldenhaft.
Nach dem Kriegseintritt Griechenlands im Oktober 1940 beschäftigte das Schicksal der Museumsobjekte seine Mitarbeiter und ihre Vorsorgearbeit begann. Es waren nicht nur die Sandsäcke, die im Außenhof des Gebäudes aufgestellt wurden, sondern ihr Hauptanliegen war die Schwierigkeit, die monumentalen Statuen und die Tausenden von Exponaten mit den begrenzten Mitteln und Zeitbeschränkungen sicher zu transportieren.
Einige Tage später, im November, schickte das damals für Kultur zuständige Bildungsministerium ein Rundschreiben mit technischen Richtlinien zum Verstecken von Antiquitäten im Fall eines Bombenangriffs an alle Museen, in dem es um die Rettung der wertvollsten Werke ging.
Die Mitarbeiter des Archäologischen Nationalmuseums jedoch entschieden sich, nicht nur die wertvollsten, sondern alle Exponate zu retten. Ihr Ziel war es, den Eindringlingen keine Antiquitäten zu hinterlassen. Der Transport der Statuen war prekär, wenn nicht unmöglich. Deshalb arbeiteten Archäologen, Wächter, Bildhauer, Handwerker und Restauratoren Tag und Nacht unter widrigsten Bedingungen. Sie dachten Gräben unter den Böden des Museums selbst zu graben, um sie dort zur Sicherheit zu vergraben. So wurde aus dem Museum eine Baustelle.
Wenn der Slogan an der Front „Aera“ (Luft) war, im Museum hieß es „Feuer legen“: Diese Worte benutzte der Bildhauer Andreas Panagiotakis als Befehl, als die Skulpturen zur Rückkehr zur Erde bereit waren. Um die Transportierung der gebundenen Götterstatuen, die mit einem Flaschenzug von ihren Sockeln aufgestiegen waren, zu vervollständigen, hatten sie diese zum Sandkasten geschleppt und dann unter den Räumen vergraben, in denen sie zuvor ausgestellt waren. All dies erfahren wir aus den Schriften der großen Dame der Archäologie, Semni Karouzos, wertvolle Zeugnisse, auf die sich ihre heutigen Kollegen berufen. Riesige Gruben, Holzbalken zur Stützung der Wände und zur Erleichterung des Transports schwerer Skulpturen, Flaschenzüge, Seile und Gips zum äußeren Schutz kunstvoller Skulpturen, wie denen von Aphrodite, Pan und Eros aus Delos, Werkzeuge, Teerkisten, Sandsäcke, Eimer voller Erde, Staub werden auf den Fotos des Museumsarchivs abgebildet.
Die Schichtarbeit hörte keine Minute auf. Dabei half das Wissen, dass sich unter den Böden Anschüttungen befanden, die sie gruben, um ideale Verstecke für Schätze zu schaffen. Die antiken griechischen Skulpturen, die Heiligtümern gewidmet oder auf den Gräbern prominenter Bürger ihrer Zeit aufgestellt wurden, zeugten seit Jahrtausenden von der Existenz der Zivilisation an diesem Ort, und waren in den Boden zurückgekehrt.
„Wo sie hingehören“ war die Antwort auf die deutsche Frage „Wo sind die Antiquitäten“. Es waren gerade einmal zwei Monate seit April 1941 und der Besatzung der Hauptstadt durch NS-Truppen, als der Leiter des Kunsterhaltungsdienstes der Besatzungstruppen im Juni das Museum mit einer Liste von 103 Skulpturen besuchte, um deren Lieferung anzufordern.
Er fand es leer. Oder besser gesagt nicht ganz leer, denn der Boden war im Zuge der Nutzungsänderung des Museums wieder bedeckt und beherbergte verschiedene Regierungsbehörden, die dort nach Beschlagnahme ihrer Gebäude umzogen: So das Museumsgebäude beherbergte die Post sowie den Tresor im ersten Stock, ein Raum wurde dem Staatsorchester für seine Proben in Verfügung gestellt, in einem anderen fand das Museum für griechische Volkskunst ein Zuhause, in einigen Räumen wurden Werke der Nationalgalerie aufgestellt, während im Erdgeschoss die Verpflegung der Vereinigung Griechischer Schriftsteller für einige Zeit stattfand.
Doch bei der sechsmonatigen Rettungsaktion ging es nicht nur um schwere Skulpturen. Die wertvollen Kleinobjekte wurden in Kisten gesammelt, der Schmuck ging in die Schatzkammer der griechischen Zentralbank, Liefer- sowie Eingangsprotokolle wurden erstellt und systematische Erfassungsarbeiten durch die Rettungsteams durchgeführt. 35 Kisten wurden in der Enneakrounou-Höhle begraben und 22 fanden Zuflucht im Sokrates-Gefängnis. Viele kleine Tongegenstände, Figuren und Vasen unterschiedlicher Größe wurden in Kisten verpackt, mit 5-6 Metern Sand bedeckt und in den Kellern der Tositsa-Straße vergraben.
Mitten im Bürgerkrieg 1946 begann die Restaurierung der Exponate: Es wurde wieder fieberhaft daran gearbeitet; die Gruben, in denen sie aufbewahrt wurden, wurden ausgehoben, ihre Erdschale wurde entfernt und sie wurden allmählich freigelegt. Die Abwicklung erwies sich als ebenso schwierig nachdem viele Karten ihre Tinte verloren hatten, die Kupferkarten aktiv oxidiert wurden, Nummern gingen verloren und es war nicht leicht, sie zu identifizieren.
In seinem Tagebuch beschreibt Giorgos Seferis seinen Besuch im Archäologischen Museum während der Arbeiten, am Mittag des 4. Juni 1946: “Die Arbeiter arbeiten in einer der alten großen Hallen mit Schaufeln und Spitzhacken am Boden. Es könnte irgendeine Ausgrabungsstätte sein. Die Statuen, die noch immer in der Erde vergraben sind, sind von der Taille bis zum Kopf nackt, wie zufällig gepflanzt. Der Arm eines übernatürlichen Gottes, eine nackte Frau, die mir den Rücken zukehrte, wurde mit einem grauen Arbeiterkorb geziert, der nur ihr lächelndes Gesäß sichtbar ließ. Es war ein Auferstehungstanz“.
Das in digitalisierter Form präsentierte analoge Bildmaterial aus dem reichen Bildarchiv des Archäologischen Nationalmuseums, das Abbildungen des Rettungsprojekts der Antiquitäten seiner Sammlungen in der Zeit vor der NS Besatzung Athens im Zweiten Weltkrieg zeigt, wird im Rahmen der Thessaloniki Photobiennale 2021 im Archäologischen Museum von Thessaloniki bis 19. Januar 2022 ausgestellt.
Bildquelle: Archäologisches Nationalmuseum/ Bildarchiv
EG
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