Kostas Papakostopoulos ist Theaterregisseur, Dramatiker und Gründer sowie künstlerischer Leiter des Deutsch Griechischen Theaters (DGT) in Köln. In seinen Inszenierungen für das DGT und städtische Schauspielhäuser setzt er sich vor allem mit dem antiken Drama und Mythos seiner griechischen Heimat auseinander. Papakostopoulos greift dabei die in den mythischen Erzählungen gestellten Fragen gesellschaftlicher Ordnung – Fragen nach dem Umgang mit Macht, Recht und Demokratie – auf und formuliert sie für die Gegenwart neu.

Kostas Papakostopoulos wurde in Athen geboren. 1990 gründete er das Deutsch Griechische Theater Köln. In den Folgejahren baute er die deutsch-griechische Theatergruppe zu einer multinationalen Künstlerinitiative aus. Über die Grenzen der Stadt und Deutschlands hinaus hat er sich mit seinem Ensemble und seinen innovativen Inszenierungen einen Namen gemacht. Im Lauf der Jahre hat er u. a. Stücke von Aristophanes, Aischylos, Sophokles, Euripides, Heiner Müller, William Shakespeare, Dea Loher, Lars von Trier, Samuel Beckett, Dimitris Kehaidis, Vassilis Ziogas, Dimitris Dimitriadis Yiannis Tsiros, inszeniert. Zusätzlich hat er seit 2006 erfolgreich eigene Stückekonzipiert und uraufgeführt.

In den letzten Jahren hat Papakostopoulos seine Arbeiten zudem auf internationalen Gastspielreisen präsentiert und die Stadt Köln im Ausland mit großem Erfolg vertreten. Kostas Papakostopoulos lebt in Köln.

Griechenland Aktuell sprach mit Kostas Papakostopoulos über das Deutsch Griechische Theater Köln und seine künstlerischen Projekte.

Weitere Informationen zu dem Deutsch Griechischen Theater Köln unter: www.dgt-koeln.de  

Das Deutsch-Griechische Theater Köln blickt auf eine über 30-jährige Geschichte zurück. Was ist der Grund für seinen Erfolg und seine Etablierung im kulturellen Leben Deutschlands?

Als Leiter des DGT habe ich seit unserer Gründung im Jahr 1990 einen dramaturgischen Schwerpunkt gesetzt: Die Auseinandersetzung mit dem antiken Drama.

Unser Theater versteht die Mythologie und das Drama der Antike als das Fundament des gemeinsamen europäischen Kulturerbes, greift die darin angelegten Fragen gesellschaftlicher und politischer Ordnung auf, formuliert sie um und sucht nach ihrer Aktualität in der Gegenwart. Zudem spannen wir mit Inszenierungen von jüngeren Adaptionen antiker Stoffe und Werken griechischer Gegenwartsautoren einen Bogen zum zeitgenössischen Theater und zeichnen so das Bild eines Europas zwischen Tradition und Moderne.

Dieses ästhetische Konzept war der Schlüssel zu einer erfolgreichen Etablierung unseres Theaters in der deutschen Theaterlandschaft.

PAPAKOST 4

EUROPA, von Lars von Trier und Niels Vørsel, 2019

 

Sie haben viele altgriechische Tragödiendichter und moderne griechische Dramatiker sowie Originalaufführungen inszeniert. Was motiviert Sie, eine bestimmte Aufführung auf die Bühne zu bringen: Ist es das Thema, das Sie jedes Mal beleuchten möchten, das Stück selbst oder der Autor?

Ich lasse mich von dem aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima leiten, versuche immer wieder zu lauschen, was unsere Gesellschaft bewegt, also ist es am Ende immer das Thema des Stücks, das mich zur Inszenierung inspiriert und weniger der Autor.

Welche Elemente machen Ihrer Meinung nach die antiken Tragödien immer noch aktuell, weshalb Sie immer wieder auf die antiken Tragödien zurückkehren? Gilt dasselbe nicht auch für andere große historische Dramatiker, wie z.B. Shakespeare, Tschechow, Ibsen usw.?

Die antike Tragödie war und ist hochpolitisches Theater. Ihre politische Aktualität und ihre zeitlosen Anregungen zu den Fragen, die unsere Existenz betreffen, den Sinn des Lebens und vor allem unsere heutige Demokratie, sind immer noch eine Inspiration und ein „Labor des Wissens“ für unsere Gesellschaft.

PAPAOST

GLÜCKLICHE TAGE, von Samuel Beckett, 2023

 

Wie anders nähert sich der griechische Zuschauer, der eine gewisse, wenn auch vage Erfahrungsbeziehung zum antiken Theater hat, dem antiken Drama (original oder adaptiert) im Vergleich zum deutschen Zuschauer, der das antike griechische Theater höchstens nur aus seiner Schulerfahrung kennt?

Das griechische Publikum nähert sich dem antiken Drama mit einer unglaublichen Emotionalität sowie einem hohen Respekt. Das deutsche Publikum hingegen hat weniger Bezug zum antiken Drama, ist etwas neutraler und dadurch sogar manchmal etwas befreiter als das griechische Publikum. Eine griechische Leidenschaft trifft auf einen deutschen rationaleren Blick.

Sie haben ein großes Repertoire an Aufführungen moderner griechischer Theaterstücke. Warum inszenieren Sie lieber moderne griechische als moderne deutsche Dramatiker? Inwieweit finden moderne griechische Werke, die Besonderheiten der griechischen Gesellschaft, ihrer Mentalität und ihrer Kultur vermitteln, beim deutschen Publikum Anklang?

Als Deutsch Griechisches Theater wollten wir immer eine kulturelle Brücke zwischen BRD und Griechenland sein und somit den Dialog zwischen unseren beiden Ländern fördern.

Deswegen hatten wir, neben dem antiken Drama, immer wieder auch zeitgenössische griechische Werke zum ersten Mal in deutscher Sprache übersetzt und für das deutsche Publikum vorgestellt. Eine schwierige Aufgabe, da die neue griechische Literatur leider ziemlich unbekannt hier zu Lande ist.

PAPAKOST 3

EUROPA, von Lars von Trier und Niels Vørsel, 2019

 

Obwohl Sie in Deutschland leben und arbeiten, haben Sie dennoch eine aktive Präsenz und Teilnahme am griechischen Theatergeschehen. Wie beurteilen Sie die heutige Generation junger griechischer Künstler (Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren)? Haben sie dem Publikum etwas Neues und Interessantes zu sagen?

Ich finde, dass die Griechen von Natur aus eine besonders enge, intensive Beziehung zum Theater haben, wir sind ein „Theatervolk“. Es gibt eine große Anzahl an unglaublich hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern, und es ist zu bewundern, wie viele Leute in der athenischen Theaterbranche trotz allen Krisen aktiv sind, wenn man bedenkt, dass in Athen über 1.500 Premieren pro Saison stattfinden – eine einmalige Leistung.

Zeitgenössische Krisen, welche die Menschheit erlebt, scheinen Ihre künstlerische Kreativität zu inspirieren. Was inspiriert Sie sonst noch, ein neues Stück zu schreiben oder zu inszenieren? Gibt es heute eine Krise, die Sie gerne dramatisieren würden?

Ich habe mich gerade erst mit der aktuellen Krise des Klimawandels und des Krieges in Europa auseinandergesetzt, diesmal mit meiner Inszenierung „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett. Es ging mir um die Fragen: Kommen wir bald an einen Punkt, an dem wir, wie Becketts Figuren, ironische Monologe halten und all die Ideale abwerten, mit denen wir stolz unsere westliche Zivilisation aufgebaut haben? Laufen wir Gefahr, dass wir Becketts Figuren von morgen werden? Die Inszenierung ist ein dringender Aufruf zur Aktion, verlangt von uns nach Mut und Taten, mit denen wir uns am eigenen Schopf aus dem Treibsand ziehen können.

PAPAKOST 5

 

IPHIGENIE IM TRAUERLAND, nach Euripides, 2022

 

Wie relevant wäre “Eurexit” heute, ein Stück, das 2017 im Zuge der internen Krisen der EU geschrieben wurde? Gelten heute die gleichen Bedenken und Zweifel, die Sie damals hinsichtlich der Zukunft der EU hatten, angesichts der Tatsache, dass sich die EU heute mehr auf externe als auf interne Krisen konzentriert? Glauben Sie, dass die Zukunft der EU die Auflösung, die Transformation oder eine stärkere Konvergenz ihrer Mitglieder angesichts gemeinsamer Herausforderungen sein wird?

Die Frage nach der Zukunft der EU ist so aktuell wie nie zuvor. Doch von welcher EU träumen wir? Definieren wir die EU nach wirtschaftlichen Interessen oder eher nach politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Werten, die wir alle, die Völker Europas, gemeinsam teilen wollen? Ich denke, es lohnt sich für letzteres zu kämpfen!

Deutsch Griechisches Theater:  https://dgt-koeln.de/

(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Kostas Papakostopoulos)

(PS)