In der historischen Evangelischen Bauhaus Kirche von Athen in Kolonaki finden jeden letzten Sonntag im Monat, um 18.00 Uhr, Konzerte von dem Streichorchester De Profundis Ensemble, bei freiem Eintritt für die Öffentlichkeit, statt. Exzellente Solisten nehmen oft als Gastinterpreten den Konzerten teil.

Die Konzerte finden im Rahmen des Programms „ABENDMUSIK“ statt. ABENDMUSIK waren eine Reihe von Konzerten, die erstmals im 17. Jahrhundert in der Marienkirche von Lübeck von Dieterich Buxtehude (1637 – 1707) eingeführt wurde. Die Konzerte wurden am Sonntagnachmittag aufgeführt und der Eintritt war frei. Die Evangelische Kirche von Athen lässt diese Tradition wieder aufleben und stellt gleichzeitig die erste Kirche in Griechenland mit einem hauseigenen (in-Residence) Orchester dar.

Die ABENDMUSIK – Sonntagkonzerte in der Evangelischen Kirche Athen finden auf freundliche Initiative des Kirchenvorstandes und insbesondere seiner Präsidentin, Frau Silke Weißker-Vorgias, in Zusammenarbeit mit dem Kantor der Kirche und künstlerischen Leiter des Konzertzyklus, Herrn Christos Paraskevopoulos, statt.

Die Mitglieder des De Profundis Ensembles sind:

Hr. Elias Gyftonikolos, Fr. Zoe Prokopiou (Violin I), Fr. Konstantina Balla, Fr. Chrysi Tzavla (Violin II), Fr. Eleni Fourlanou (Viola), Fr. Myrto Xirouchaki (Violoncello), Hr. Giorgos Ntanis (Double Bass).

Herr Elias Gyftonikolos, erster Geiger (Violin I, concertino) des Orchesters, sprach mit Griechenland Aktuell über De Profundis Ensemble und die ABENDMUSIK.

 Erzählen Sie uns ein paar Worte über die Gründung Ihres Ensembles. Wo, wann und mit welchem Ziel wurde dieses hervorragende Streicherensemble gegründet?

Die Notwendigkeit … die Mutter von allem … sie war es, die uns zu dieser Vereinigung geführt hat, um „de profundis“ alles zu bekennen, was nur Musik aus den Tiefen der Seele ausdrücken kann.

Die lange Dauer der Quarantäne aufgrund des Coronavirus führte dazu, dass sich die Menschen voneinander distanzierten und entfernten. Dadurch wurde das individuelle und kollektive Bedürfnis, mit Menschen mit ähnlichen Interessen in Kontakt zu treten, noch verstärkt. In diesem Zusammenhang lernten wir uns, alle Mitglieder des Ensembles, kennen und begannen unsere Konzerte in der Deutschen Kirche in Athen. Im ersten Jahr hatten wir wegen der restriktiven Maßnahmen überhaupt kein Publikum. Wir spielten nur vor einer Kamera und einem Mikrofon und versuchten, unser Publikum zu erreichen. Glücklicherweise wurden im zweiten Jahr des Bestehens des Ensembles die Türen der Kirche geöffnet und der Besuch der Menschen ist seitdem wirklich berührend, was beweist, dass auch die Leute von demselben Bedürfnis erfüllt sind, mit der Musik in Kontakt zu kommen. Seitdem haben wir eine enge und herzliche Beziehung zu den Zuhörern aufgebaut, die in die Kirche kommen, um uns zuzuhören.

DPR7Wie entstand Ihre Beziehung zur Deutschen Kirche von Athen?

Die Deutsche Kirche von Athen ist unser Zuhause. Ich persönlich habe das Glück und die Ehre, den Chefmusiker und künstlerischen Leiter der Kirche, den Kantor der Kirche, Herrn Christos Paraskevopoulos, zu kennen. Er ist ein ausgezeichneter Musiker, aber auch ein ausgezeichneter Mensch, der mein Mentor als Mensch und als Musiker war. Er hat die gleiche Mentorenrolle gegenüber den anderen Mitgliedern unseres Ensembles übernommen und das gesamte Orchester und seinen Zyklus der Konzerte in der Kirche (ABENDMUSIK) wirklich angenommen, so dass wir die Kirche als unser Haus empfinden können! Natürlich möchte ich dem Vorstand der Kirche und seiner Präsidentin, Frau Silke Weissker, für die Herzlichkeit danken!

DPR3aBei den Sonntagabendkonzerten füllt sich die Kirche mit Menschen. Warum, glauben Sie, sind die Sonntagskonzerte beim Athener Publikum so beliebt? Hat es mit der hohen Qualität der Aufführungen zu tun, mit der Einzigartigkeit des Veranstaltungsortes, mit den Komponisten und den Werken, die Sie aufführen, oder mit etwas anderem?

Der Mensch braucht Musik in seinem Leben, weil sie ihm den Weg zu den Tiefen seiner Seele zeigt. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Technologiesprünge so groß und schnell sind, braucht der Mensch die Musik noch mehr, um geistig und emotional ausgeglichen zu sein.

Es gab niemals eine große Zivilisation gewesen, die nicht die Musik im Kern ihres Bildungssystems hatte. Die Kunst ist existentiell nötig damit der Mensch als Mensch bezeichnet werden kann. Im Zeitalter des „schnellen“, Fast Food, Fast Fashion, ist es nicht möglich, von unseren Mitbürgern zu verlangen, ein einziges Marathon-Konzert zu besuchen (vom Beginn des 20. Jahrhunderts sind wir von der Symphonie der 1000 zu der “Geschichte des Soldates” von Strawinsky mit nur 9 Musikern gekommen).

Unter Berücksichtigung des hektischen Rhythmus, in dem unsere Gesellschaft lebt, aber auch der dreijährigen Abstinenz von Live-Musik, dauern die Konzerte des ABENDMUSIK-Zyklus nie länger als eine halbe Stunde, so dass ein Kind oder ein älterer Mensch, auch im Stehen, aufgrund der großen Besucherzahl, ihnen beiwohnen und die gesamte Musikerfahrung geniessen kann. Die Abendmusikkonzerte finden jeden Monat statt und sie befriedigen regelmäßig das innere Bedürfnis nach Musik und der von ihr gebotenen Bildung.

Diese kurzen monatlichen Musikerfahrungen mit der Unmittelbarkeit der Barockmusik und unserer aufrichtigen jugendlichen Begeisterung, mit der Absicht jedem unserer Mitbürger etwas zu geben, mit Einfachheit und ohne Egoismus, wie es uns die Musik lehrt, sind an die Gesamtheit unserer Stadt von 5 Millionen Einwohnern und nicht an ein paar Dutzend „Experten“ des Genres gerichtet, damit die Musik wieder uns allen gehört!

DPR4Erzählen Sie uns ein paar Worte über Ihr Repertoire. Haben Sie eine Vorliebe für deutsche Komponisten und bestimmte Epochen/ Jahrhunderte oder kann Ihr Repertoire von Fall zu Fall erweitert werden?

Unser Repertoire besteht hauptsächlich aus Werken der Barockzeit. Die Musik der Barockzeit hat die Besonderheit, dass sie sich unmittelbar an den Zuhörer wendet. Die Komponisten dieser Epoche studierten die Werke der großen Redner der Antike und versuchten, den Zuhörer anzusprechen und zu erreichen. Die Unmittelbarkeit der Musik, glauben wir, betrifft persönlich jeden Mensch. Es ist traurig, dass diese reiche Vielfalt der Musik in unserem Land nicht genug gefördert wird; wir sind derzeit das einzige Orchester in Griechenland, das Barockmusik aufführt.

Obwohl alle Mitglieder des De Profundis Ensembles sehr jung sind, ist die Qualität Ihrer Konzerte auf einem hervorragenden Niveau. Was sind Ihre Pläne als Ensemble? Wie wollen Sie ein breiteres Publikum erreichen?

Der Mensch braucht die Musik, und die Musik braucht den Mensch. Aber wir brauchen eine Musik, die einfach, zugänglich und direkt ist, ohne Barrieren, Abhandlungen, Manifeste, Studien und all diese Dinge, die sie beschweren und von den Menschen entfernen. Ein Dichtung sagt: „Wir haben unsere Kunst in Silber ertränkt…“ und genau das ist es. Wir haben sie schwer gemacht, wir haben sie unzugänglich gemacht, wir haben sie in Verhaltensweisen eingesperrt und in pharaonischen Gebäuden eingeschlossen, so dass der Mensch sie nicht mehr als seine eigene, sondern als eine fremde anerkennt.

In Sonntagsabendmusikkonzerten hört die große Mehrheit der Zuhörer zum ersten Mal ein Orchester oder sie begegnet Instrumenten zum ersten Mal. Eltern mit Kindern kommen auf uns zu und fragen nach den Instrumenten und wir haben Kinder, die ein Instrument hören und ihre Eltern bitten, dieses zu lernen, damit auch sie die Musik kennenlernen können. Zum ersten Mal lernen die einfachen Menschen die „klassische Musik“ kennen, eine Musik nicht “in Silber ertränkt”, sondern eine zugängliche, populäre Musik.                                                                              

DPR2Glauben Sie, dass es Karriere- und Anerkennungsperspektiven für junge professionelle klassische Musiker in Griechenland gibt, oder bedienen sie ein Genre, das ein begrenztes Publikum anspricht und daher nur begrenzte Möglichkeiten bietet?

Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es in unserem Land Schwierigkeiten in Bezug auf „Klassische Musik“. Wir leben in einer Stadt mit 5 Millionen Einwohnern und wir erleben Klassikkonzerte mit nur 200 Zuschauern in Sälen und Konzerthallen mit einer Kapazität von mehr als 2000 Personen. Wie Sie sagten, mag ein Klassikmusikkonzert tatsächlich an ein begrenztes Publikum gerichtet sein, aber für uns sind unsere Konzerte an die 4.999.800 anderen Bürger von Athen gerichtet!

Es gibt ein enormes Potenzial in Athen, aber auch im Rest des Landes. Athen ist eine der Theaterhauptstädte der Welt, mit unzähligen Theatern, die immer voll besetzt sind. Wie ist es moglich in der kulturellen Mutter Europas, dass die Konzerthallen nicht voll zu sein? Dies ist eine bedeutende Frage, die beantwortet werden muss. Wir betrachten es als unsere Pflicht, die Musik zu jedem Menschen zu bringen, damit sie ihrerseits seine Seele und seinen Geist in einer Weise, erreichen kann, die keine Wissenschaft leisten kann. Musik ist eine Art des Denkens, ein Instrument – ein Medium für das Leben selbst! Wir erwarten Sie alle mit Freude und Verantwortung, ohne Formen und Etiketten, um vor Ihnen Werke der Musik der großen Komponisten wie Bach, Vivaldi, Händel aufzuführen, und sie Ihnen vorzustellen.

„Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen“

Beethoven, „Missa Solemnis“

Elias Gyftonikolos, concertino , De Profundis Ensemble

(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Herr Elias Gyftonikolos / facebook: De Profundis Ensemble)

(PS)