Prof. Dr. Christoph Ribbat, Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Paderborn, lässt uns in seinem Buch “Im Restaurant – Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne” (Suhrkamp Verlag) in die gastronomische Welt des Westens eintauchen. Prof. Dr. Christoph Ribbat führt den Leser meisterlich durch die soziale Entwicklung des Restaurants in Berlin, in Paris und in den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. und 20. Jahrhundert ein. Gleichzeitig hebt er die Rolle des Restaurants sowohl in den Bereichen der Produktion und des Konsums als auch in der Esskultur und in der Homogenisierung der gastronomischen Gewohnheiten hervor. Das Restaurant wird als derjenige Ort betrachtet, der einerseits mit dem delikaten Genuss und andererseits mit der extrem harten Arbeit zu tun hat. Als derjenige Ort, an dem es sich die soziale Diskriminierung beobachten lässt, ob in der Küche oder im Gastraum. Der Beitrag der griechischen Restaurants zur Modernisierung und zur kulturellen Öffnung Deutschlands könnte in diesem Rahmen nicht fehlen. Das Buch von Prof. Dr. Christoph Ribbat: “Im Restaurant – Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne” ist bereits auf Griechisch erschienen (Ekdoseis tis Estias/Hestia Verlag Athen) und im März 2019 in Athen im Rahmen des „Athen 2018 – Weltbuchhauptstadt“-Kulturkalenders vorgestellt.

Professor Dr. Christoph Ribbat / Bild: @2019 Ekdoseis tis Estias / HESTIA Verlag Athen

Hier das Gespräch: 

Die Recherche nach der Entwicklung der Gastronomie und der sozialen Bedeutung des Restaurants in Europa und den Vereinigten Staaten ist ein originelles und äußerst interessantes Thema. Wie sind Sie dazu gekommen? 

Es gab kein spektakuläres Erlebnis. Ich glaube, ich habe irgendeinen Artikel über Köche gelesen. Irgendeine Reportage aus der unbekannten Welt der Küche.  Natürlich kommen jeden Tag Dutzende solcher  Artikel heraus, ich lese ständig welche. Ich weiß also gar nicht, was so besonders an diesem Artikel war. Aber irgendwie hat es bei mir Klick gemacht und ich habe das Restaurant plötzlich als diesen zweigespaltenen Ort gesehen: von delikatem Genuss und extrem harter Arbeit. Und dann wollte ich unbedingt ein Buch schreiben, dass diese beiden Gesichter des Restaurants zusammenbringt.

Das Restaurant in Paris im 19. und 20. Jahrhundert unterscheidet sich vom Restaurant in Berlin im gleichen Zeitraum. Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen zwischen den beiden? Wie erklären Sie die Ursachen für diese Entwicklung?

Paris hat einfach diesen riesigen Vorsprung. Ein halbes Jahrhundert lang gab es Restaurants ja nur in Paris, nirgendwo sonst. So hat sich die Eleganz, die Raffinesse des feinen Restaurants als typisch pariserisch etabliert. In Berlin, wie in amerikanischen Großstädten ging es dann im 20. Jahrhundert eher darum, Menschen schnell satt zu bekommen.

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In den USA hat der Bereich des Restaurants das Phänomen der sozialen Diskriminierungen bekannt gemacht. Was hat dazu geführt? Welche Folgen gibt es, Ihrer Meinung nach, für die amerikanische gastronomische Gesellschaft?

Es gab diesen genialen Protest afroamerikanischer Studenten, die sich 1960 an Restauranttheken „nur für Weiße“ gesetzt haben. Genial deshalb, weil es ja an kaum einem Ort so wichtig ist, sich willkommen zu fühlen, wie als Kunde eines Restaurants. Und diese Protestaktionen haben Millionen von Menschen darauf aufmerksam gemacht, wer nicht willkommen war. Heute, sechzig Jahre später, ist das Restaurant, wie jeder gesellschaftliche Ort, immer noch ein Ort, an dem sich Diskriminierung beobachten lässt: ob in der Küche oder im Gastraum. Aber für solche eindrucksvollen Protestaktionen wie damals sind die Dinge heutzutage wahrscheinlich zu kompliziert.

Warum messen Sie große Bedeutung den Kellnern bei? Welchen Beitrag leistet der Job des Kellners zur sozialen Entwicklung des Restaurants?

Kellner vermitteln zwischen der Produktion und dem Konsum. Deshalb sind sie so interessant. Was mich wirklich fasziniert hat: wie moderne Intellektuelle, etwa Jean-Paul Sartre oder George Orwell, auf Kellner herabgesehen haben, weil sie sie für inauthentische Opportunisten gehalten haben. Der Kellner ist so eine Art Anti-Held des 20. Jahrhunderts und deshalb wollte ich ihn neu entdecken. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass wir heutzutage alle ein bisschen wie Kellner sind, weil die Selbst-Inszenierung so sehr zum Arbeitsalltag dazu gehört.

In einem Restaurant hängt der „Genuss“ des Klienten von der „harten Arbeit“ der Arbeiter ab, wie Sie es beschreiben. Was ist das aktuelle Bild dieser gegenseitigen Abhängigkeit in einer Zeit, in der das Fast Food letztendlich die Esskultur und die gastronomischen Gewohnheiten in den westlichen Gesellschaften nachhaltig dergestalt beeinflusst hat, dass man von einer „Homogenisierung“ der Esskultur sprechen kann? 

Beides ist wichtig: die Homogenisierung der Esskultur und die Art und Weise, wie die Fast Food-Industrie die Arbeit umdefiniert hat: zu McJobs, die jeden Fast Food-Arbeiter austauschbar und insignifikant werden lassen. Für mich war es wichtig, in einem Buch über das Restaurant nicht nur die viel gefeierten Star-Köche zu beschreiben, sondern auch die Auswirkungen der Mcdonaldisierung auf unsere Vorstellungen von sinnvoller und erfüllender Arbeit. Aber es gibt natürlich auch Restaurants, die sich gegen diese Trends stellen – und das sind dann wirklich interessante Orte.

Ribbat Ianos collage 20190316 Bilder aus der Buchpräsentation in der Athener Buchhandlung IANOS im Rahmen der „Athen 2018 – Welthauptstadt der Bücher“, März 2019

Was halten Sie vom griechischen Restaurant im Ausland, z.B. in der heutigen Bundesrepublik? Welche sind, Ihrer Meinung nach, seine besonderen Merkmale? Wie soll man „das griechische Restaurant“ als Teil einer umfassenden Entwicklung der Gastronomie in der westlichen Gesellschaft betrachten?

Ich bin ein großer Fan von griechischen Restaurants in Deutschland. Immer schon gewesen. Ich weiß noch, wie ich als Kind dort zum ersten Mal Kritharaki gegessen habe, und es unvorstellbar genial fand, dass man die Gegensätze „Reis“ und „ Nudeln“ miteinander vereinen konnte. Wahrscheinlich ist das Essen „beim Griechen“ in Deutschland nicht immer so ganz authentisch. Und vielleicht gibt es ein bisschen zu viele Statuen aus Gips. Aber das ist etwas, mit dem sich Restaurant- oder Architekturkritiker auseinandersetzen sollen. Für mich als Kulturwissenschaftler ist faszinierend, wie griechische Restaurants zwischen den Kulturen vermittelt haben, wie sie Migrantinnen und Migranten haben ankommen und sich etablieren lassen und wie sie den Deutschen virtuelle Reisen ermöglicht haben. Griechische Restaurants haben wirklich einiges für die Modernisierung und die kulturelle Öffnung der Bundesrepublik getan. Der Gratis-Ouzo nach dem Essen ist natürlich auch ein Faktor dabei. Ich empfehle dazu – also nicht zum Ouzo, sondern zum Thema – ein Buch des deutsch-griechischen Journalisten Alexandros Stefanidis, der quasi in einem griechisch-deutschen Restaurant aufgewachsen ist und diese Heimat sehr schön beschreibt.

 

Das Interview führte Chrysoula Archontaki