Griechenland Aktuell sprach mit Michaela Prinzinger, Autorin, Übersetzerin griechischer Literatur und Gründerin des Internetportals diablog.eu., über ihre Übersetzungen, über das Internetportal, über die deutsch-griechischen Beziehungen und die aktuelle Situation in Griechenland: 

1.Erzählen Sie uns von Ihrer Lebensentscheidung, Neugriechisch zu lernen und dann die zeitgenössische griechische Literatur dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Sie haben ja eine ganze Anzahl von Autoren ins Deutsche übersetzt.

Es handelt sich in der Tat um ein lebenslanges Lernprojekt und Engagement meinerseits! Eine Fremdsprache lernt man sowieso niemals perfekt, vielmehr perfektioniert man beim Literaturübersetzen seine Muttersprache. Übersetzen ist auch eine wunderbare Schreibübung zum stringenten Formulieren von Sätzen und Gedanken. Ich kenne keine andere Tätigkeit, die eine so hohe Konzentrationsfähigkeit und Dialogbereitschaft erfordert.

Die Entscheidung, Neugriechisch zu lernen, ergab sich durch einen Familienurlaub Ende der 70er-Jahre nach Chalkidiki. Ich war vom Klang der Sprache begeistert und wollte Teil dieser Gemeinschaft werden. Daraus ergab sich meine Studienwahl: das Fach Byzantinistik und Neogräzistik an der Universität Wien. Um das Jahr 2000 interessierten sich plötzlich deutschsprachige Verlage für die Übersetzung griechischer Literatur, da Griechenland Gastland auf der Frankfurter Buchmesse 2001 werden sollte. Damals kam ich mit Autoren und Autorinnen wie Rhea Galanaki, Ioanna Karystiani und Petros Markaris in Kontakt.

2.Sie haben im Sommer 2014 das anfangs erwähnte deutsch-griechische Internetportal „diablog.eu“ gegründet, um die Kommunikation und den kulturellen Austausch zwischen den verschiedenen Sprachräumen zu verbessern. Haben Sie den Eindruck, dass sich seither etwas geändert hat?

Ich glaube fest daran, dass Übersetzer, also Kulturmittler, eine große Rolle in der Kommunikation nicht nur zwischen Sprachen, sondern auch zwischen Denkweisen und Mentalitäten spielen. Die zeitgenössische Kultur ist der Schlüssel zum gegenseitigen besseren Verständnis. Denn sie stellt sich den großen, ewigen Fragen, um deren Beantwortung wir alle ringen. Geld spielt da nur eine untergeordnete Rolle, obwohl es als Grundlage unserer Gesellschaften – ob wir das nun gut finden oder nicht – wichtig ist. Kultur jedoch ist eine andere Art von Währung, die niemals verfällt.

Wenn es um Veränderung geht, dann um eine Image-Veränderung auf beiden Seiten – und zwar durch kulturelle Bildung. Weg mit den „Hitler-Bärtchen“ und mit den „Faulenzern“! Solche Transformationsprozesse dauern lange und erfordern Geduld und Ausdauer. diablog.eu setzt nicht auf den schnellen Erfolg, sondern auf die Nachhaltigkeit seiner Produkte, nicht auf ein spektakuläres, sondern auf ein dauerhaftes Wachstum seiner Leserschaft. Interessanterweise wird das vom Publikum auch in den „vergänglichen“ Sozialen Medien honoriert. Meine Credo lauten: Kultur verbindet und Qualität setzt sich durch.

3.Bekommen Sie Aufmerksamkeit für diese neue Form des Kulturdialogs zwischen dem deutschs- und dem griechischsprachigen Raum? Wir sprechen ja von Deutschland, Österreich, Schweiz, Griechenland und Zypern.

Wenn man die Fakten und Zahlen von diablog.eu betrachtet, dann können wir sehr zufrieden sein: Bislang sind 500 Lang-Beiträge in beiden Sprachen erschienen – Literaturübersetzungen, Interviews mit Kulturschaffenden, Reisereportagen und journalistische Texte. Die Website hat über 3.700 Follower, wir erreichen über unser „Forum“, das heißt unsere Facebook-Seite, 10.000 Nutzer wöchentlich, verstärkt durch die Facebook-Gruppe diabloggers.eu. Die Website diablog.eu kann sich über 265.000 Besucher freuen! Und das, obwohl wir keine tagesaktuelle Berichterstattung betreiben und politische und soziale Themen immer aus der Perspektive von Kulturschaffenden, die sich damit auseinandersetzen, behandeln. Denn diese Perspektive ist als einzige nachhaltig und gewinnbringend.

Auch das Presseecho auf unsere Initiative ist beachtlich. Presse und Hörfunk in Deutschland haben über uns berichtet, griechische Medien zeigen ebenfalls großes Interesse. Es hat sich gezeigt: In der kulturinteressierten deutsch-griechischen Öffentlichkeit besteht eine große Nachfrage nach einem alternativen Informationsangebot. Und genau das bieten wir!

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4.Wie sehen heute die deutsch-griechischen Beziehungen aus, nachdem sie während der sogenannten Finanzkrise so gelitten haben?

Es kommt auf uns alle an, wie die deutsch-griechischen Beziehungen aussehen. Es sind nicht nur die „Politiker“ dafür verantwortlich, sondern jeder von uns kann sie beeinflussen. Im Bereich der Kultur können wir uns einmischen, aktiv werden und alternative Umgangsweisen miteinander entwickeln. In dem Sinne machen wir alle Kulturpolitik von unten!

Anfang Mai 2017 haben wir in Berlin den Kulturverein „Diablog Vision“ gegründet, um uns in Zukunft noch effektiver für eine kulturelle Zusammenarbeit einzusetzen. Es geht auch darum, für die bislang ehrenamtlich betriebene Website eine ökonomische Grundlage zu finden. Aber auch das ist ein langwieriger Prozess, der seine Zeit braucht. Es geht uns in unserem Projekt um einen langfristigen Gewinn, von dem alle profitieren. So kann sich diablog.eu über den Verein als Ausbildungs- und Mentoringzentrum für Übersetzer anbieten, als Projektentwicklungspartner für Kulturveranstaltungen wie Festivals und Austauschprogramme, als Gastgeberinstitution für Praktika. Der Fantasie sind hier – fast – keine Grenzen gesetzt!

Dr. Michaela Prinzinger, gebürtige Wienerin mit Wohnsitz in Berlin, ist promovierte Neogräzistin, Autorin und Literaturübersetzerin. Seit 2000 übersetzt sie griechische Literatur ins Deutsche. Zuletzt wurde sie mit dem Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung 2015 und dem Gottsched-Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds 2017 ausgezeichnet. Mehr Infos unter www.michaela-prinzinger.eu und www.diablog.eu.