Vor 82 Jahren, am 11. September 1938, erwachte nach Jahrhunderten szenischer Stille und Untätigkeit das antike Theater von Epidauros, und, mit einer Inszenierung von Sophokles‘ Elektra, hallte es nochmals von den Stimmen der tragischen Schauspieler wider.

Das Theater von Epidauros befindet sich in der gleichnamigen Gemeinde auf dem Peloponnes und ist Teil des monumentalen Komplexes des Asklepios-Heiligtums, einer archäologischen Stätte, die 1988 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Das Theater, das als das vollkommenste der Antike gilt, ist weltweit für seine exzellente Akustik und Ästhetik bekannt. Seine Errichtung geht auf die Jahre 340-330 v. Chr. zurück und soll laut Pausanias von dem griechischen Bildhauer und Architekten Polyklet erbaut worden sein. Verbunden mit dem Kult des antiken Heilgottes Asklepios und mit einer anfänglichen Kapazität von etwa 8.000 Plätzen, die später (2. Jh. v. Chr.) auf 13.000 bis 14.000 Sitzplätze anstieg, beherbergte das Theater von Epidaurus zu jener Zeit Lieder, Musik und dramatische Spiele, von denen man glaubte, dass sie sich positiv auf die Gesundheit der Patienten auswirkten. Obwohl im Niedergang begriffen, war das Theater noch in der Römischen Kaiserzeit in Betrieb. Seine Spuren gehen erst im 3. Jahrhundert n. Chr. verloren. Nach diesem Zeitpunkt gibt es keine Hinweise mehr auf jegliche Aktivitäten an diesem Ort.

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Das antike Theater von Epidauros/Quelle: Wikimedia Commons

Nach langer Zeit tauchte das Theater in der Neuzeit mit den ersten Ausgrabungen vor Ort, die zwischen 1881 und 1883 unter der Leitung des Archäologen Panagiotis Kavvadias durchgeführt wurden, wieder auf. In den kommenden Jahren brachten die ausgeführten Arbeiten das Theaterdenkmal ans Licht. Von da an, auch dank der Restaurierungsarbeiten von P. Kavvadias selbst (1907), seines Kollegen A. Orlandos (1954-1963) und des Ausschusses für die Erhaltung der Denkmäler von Epidauros- (ab 1988), gilt das Theater als eins der besterhaltenen Theater der Antike.

Im frühen 20. Jahrhundert, im Anschluss an diese Entwicklungen auf dem archäologischen Gebiet und begünstigt durch die Gründung des Griechischen Nationaltheaters im Jahr 1932, die zu einer Intensivierung des Studiums der klassischen Dramaturgie führte, begannen daher erste Überlegungen über die Möglichkeit, antike Theater für moderne Aufführungen zu nutzen. Am 11. September 1938 eröffnete das Nationaltheater dann das Theater von Epidauros mit einer Inszenierung von Sophokles‘ Elektra mit Katina Paxinou (Elektra) und Eleni Papadaki (Klytaimnestra) in den Hauptrollen unter der Regie von Dimitris Rontiris.

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Das Programm der Aufführung „Elektra“ von Euripides im antiken Theater von Epidauros (1938)/ Quelle: Αρχείο του Εθνικού Θεάτρου

Da es keine Elektroinstallation für die Beleuchtung der Szene gab, fand die Vorstellung bei natürlichem Nachmittagslicht statt, ohne Bühnenbilder. Diese Aufführung, die den Eintritt des antiken Theaters von Epidauros in die Moderne markiert, wurde von der „Griechischen Wandergesellschaft“ (Ελληνική Περιηγητική Λέσχη) organisiert, mit der Absicht, eine jährliche „Epidauros-Saison“ einzurichten. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der darauf folgende griechische Bürgerkrieg setzten solchen Projekten jedoch ein vorzeitiges Ende, und das Theater von Epidauros musste noch viele Jahre warten, bevor es eine zweite dramatische Aufführung veranstalten konnte.

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Foto von Katina Paxinou (Elektra) und dem Chor bei der Aufführung von Euripides‘ Elektra im antiken Theater von Epidauros (1938)/ Quelle: Αρχείο του Εθνικού Θεάτρου

Dies geschah 1954 mit der Inszenierung von Euripides‘ Hippolytos unter der Regie von Rontiris, die in drei Aufführungen 20.766 Zuschauer anzog. Ein Jahr später, 1955, wurde die erste Ausgabe des neugeborenen Epidauros-Festivals im antiken Theater von Epidauros mit einem weiteren Werk von Euripides eröffnet: Hekabe in der Regie von Alexis Minotis und mit Katina Paxinou als tragische Gattin des Priamos. Von da an findet das Festival jeden Sommer statt -nun umbenannt in „Festival von Athen und Epidauros“ (Athens & Epidaurus Festival)- mit dem antiken Theater als einen seiner Hauptveranstaltungsorte.

Introbild: Katina Paxinou und der Chor während der Aufführung von Euripides‘ Elektra im antiken Theater von Epidauros (1938)/ Quelle: Αρχείο του Εθνικού Θεάτρου (Archiv des Griechischen Nationaltheaters)

Originaltext: 11 settembre 1938: la prima rappresentazione moderna all’Antico Teatro di Epidauro in PuntoGrecia

s.d.

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