Anlässlich der Veröffentlichung des Sammelbandes „Das lange 20. Jahrhundert der griechisch-deutschen Beziehungen“, herausgegeben von Dr. Stratos Dordanas und Dr. Nikos Papanastasiou (Verlag Epikentro, Thessaloniki, http://www.epikentro.gr), „Griechenland Aktuell“ sprach mit Dr. Nikos Papanastasiou über das gesamte Spektrum der Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland im Laufe des vergangenen Jahrhunderts. Dr. Nikos Papanastasiou ist Dozent für die Zeitgenössische Geschichte und für die Geschichte der Medien an der Athener Universität, nachdem er an der Universität Augsburg mit der Doktorarbeit „Die Metaxas-Diktatur und das nationalsozialistische Deutschland“ promoviert wurde. Seine Beiträge sind in Sammelbänden und Zeitschriften in Griechenland und im Ausland veröffentlicht worden.

 

Hier das Interview :

Welche sind, Ihrer Meinung nach, die wichtigsten „Meilensteinen“ in den griechisch-deutschen Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert? Welche Entwicklungen oder Entscheidungen haben ganz besonders eine Vertiefung der Beziehungen eingeläutet oder die größten Turbulenzen zwischen den beiden Ländern verursacht? Welche Rolle haben dabei die Klischeevorstellungen auf beiden Seiten gespielt?

Die bilateralen deutsch-griechischen Beziehungen basieren auf eine lange Vorgeschichte, die mit dem Philhellenismus und anschließend mit dem ersten König Griechenlands, den Wittelsbacher Otto ihren Anfang nahm. Anfang des 19.  Jahrhunderts, waren es vor allem die deutschen Teilnehmer am griechischen Befreiungskampf gegen die Türken, die wie die deutsche Romantik im Neuen Griechenland, eine idealisierte Neuauflage Arkadiens erblickten und das Bild der Deutschen korrigiert bzw. Missverständnisse ausgeräumt werden mussten, zumal „die Griechen niemals das waren, was die Deutschen von ihnen dachten (Jens Jessen)“. 

Der kulturelle Einfluss Deutschland hatte sich bereits seit dem Ende des 19 Jh. verfestigt, u.a. durch die Ausgrabungen des DAI und die Gründung deutscher Schulen in Athen und Thessaloniki. Zuletzt hat ja auch die „Documenta14“, die gleichzeitig in Athen und Kassel stattfand, nochmal bewiesen, dass die Kultur ein verbindendes Element in den bilateralen Beziehungen sein kann.

Die Okkupation Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht und die Brutalität gegen die griechische Zivilbevölkerung während der Besatzungszeit haben die Bemühungen auf beiden Seiten zu einer Aussöhnung in der Nachkriegszeit auf eine harte Probe gestellt. Vor allem die griechische Arbeitsmigration nach Deutschland (nach 1960) und die Solidarität von deutscher Seite (Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Medien u.a.) für den demokratischen Kampf gegen die Obristendiktatur in Griechenland (nach 1967), ließ die beiden Länder näher rücken und ist durchaus als positiver Aspekt im Rahmen der deutsch-griechischen Beziehungen zu bewerten.

 

Der Sammelband „Das lange 20. Jahrhundert der deutsch-griechischen Beziehungen“ bietet eine Vertiefung über das gesamte Spektrum der Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Laufe des vergangenen Jahrhunderts an. In diesem Hintergrund, wie sollen sich, Anfang des 21. Jahrhunderts, die griechisch-deutschen Beziehungen, Ihrer Meinung nach, weiterentwickeln? Kann es sein, dass eine „schmerzhafte und manchmal auf Konfrontation ausgerichtete Vergangenheit“ (Zitat aus dem Buch) die Grundlage für eine „vielversprechende Zukunft der Zusammenarbeit“ (nochmal Zitat aus dem Buch) und für gegenseitiges Verständnis bedeuten könnte? Unter welchen Bedingungen? Welche sind, Ihrer Meinung nach, die Konvergenzpunkte zwischen den beiden Ländern im Rahmen unseres gemeinsamen europäischen Hauses?

Während der Wirtschaftskrise der letzten Jahre haben die deutsch-griechischen Beziehungen einen Tiefpunkt erreicht. Vor allem die Medien haben sich Klischees und Provokationen bedient („faulen Griechen/Hochstapler/levantinische Trickser“ gegen „Nazis/Alte und Neue Besatzer“) die auf beiden Seiten verletzend gewirkt haben und das bilaterale Verhältnis auf eine harte Probe stellten.

Um pauschalisierende Stereotypen aus dem Weg zu räumen und dem Neubeginn in den bilateralen Beziehungen der letzten Jahre eine echte Chance zu geben, sollte man sich dabei auf beiden Seiten auch auf die positiven Aspekte dieses Verhältnisses beziehen, dabei aber auch Streitpunkte bzw. Schattenseiten ansprechen, wie jüngst der Bundespräsident Joachim Gauck, der während seines Besuchs im griechischen Märtyrerort Lyngiades (2014), zum ersten Mal von deutscher Seite um Verzeihung für die Besatzungsverbrechen bat. Nur so kann die Grundlage gegenseitigen Vertrauens geschaffen werden, das nationalen Eigeninteressen und Stereotype keinen Platz lässt und eine enge Zusammenarbeit im Rahmen der westlichen Wertegemeinschaft (Verteidigung der Menschenrechte und der Förderung der pluralistischen Demokratie in Europa) bzw. der Europäischen Union und der NATO gewährleistet. Es sollte auch unterstrichen werden, dass Projekte der letzten Jahre, wie der Deutsch-Griechischen Zukunftsfond, eine Vertrauensgrundlage geschaffen haben.

 

Wie beurteilen Sie heutzutage die griechischen Forderungen an Reparationen wegen des 2. Weltkrieges gegenüber Deutschland? Glauben Sie, dass sie als Instrument für eine Art „moralischer Entschädigung“ dienen und dazu beitragen könnten, dass die bilateralen Beziehungen neue Impulse bekommen?

Die deutsche Reaktion auf die griechischen Forderungen nach Reparationen bzw. der Zwangsanleihe  ließ alte Stereotypen von den „arroganten Deutschen“ wieder hochkommen, zumal die deutschen Medien für diese Debatte die Haltung Berlins gegenüber der wirtschaftlichen Misere Griechenlands nach 2010 verantwortlich machten, obwohl die griechischen Regierungen nach 1945 diese Forderung nie aufgegeben haben.

Dieses Thema könnte sich auch in Zukunft zu einer Belastung im bilateralen Verhältnis entwickeln, obwohl von griechischer Seite  unterschieden wird, zwischen Reparationszahlungen die sich zum Präzedenzfall für Deutschland entwickeln könnten und dem Besatzungskredit, der Reichssache war. Die deutsche Argumentation wonach Griechenland keinen Anspruch auf eine Rückzahlung mehr habe, zumal Berlin sie mit Reparationszahlungen gleichsetzt und die Forderung als politisch und juristisch abgeschlossen betrachtet hilft nicht weiter, denn die kompromisslose Herangehensweise Berlin stößt bei allen politischen Kräften Griechenlands auf Ablehnung.

 

Das Interview führte Chrysoula Archontaki