Griechenland übernahm für einen sechsmonatigen Zeitraum, nämlich von Mai bis November 2020, den Vorsitz des Ministerkomitees des Europarates. Seit August 1949 Mitglied dieser führenden Menschenrechtsorganisation, Griechenland übernahm den Vorsitz in einem von der Covid-19 Pandemie geprägten außerordentlichen Kontext. Schwerpunkte des griechischen Vorsitzes, der vom stellvertretenden Außenminister Miltiadis Varvitsiotis koordiniert wurde, waren die im Kern der Mission des Europarates stehenden Grundprinzipien und Werte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte.

Angesichts einer beispiellosen Herausforderung, die einerseits durch den ständigen Kampf um den Schutz des menschlichen Lebens und der öffentlichen Gesundheit und andererseits durch die Einführung notwendiger Maßnahmen, die die Grundfreiheiten beeinträchtigen, definiert wurde, forderte der griechische Vorsitz den Europarat auf, die Angelegenheit an die vorderste Front der Debatte zu stellen. In diesem Rahmen lautete das Hauptthema des griechischen Vorsitzes: „Schutz des menschlichen Lebens und der öffentlichen Gesundheit im Kontext einer Pandemie – Wirksame Reaktion auf eine Sanitärkrise unter uneingeschränkter Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ”.

Auf diese Herausforderung reagierend und um hervorzuheben, dass Rechtsstaatlichkeit auch in einer Notsituation Vorrang haben muss, gab der Europarat ein Toolkit für die Mitgliedstaaten heraus (SG / Inf (2020) 11 – „Achtung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten im Rahmen der COVID-19-Sanitärkrise“). Um ein faires Gleichgewicht zwischen dem Schutz des menschlichen Lebens und der öffentlichen Gesundheit und den Rechten der betroffenen Personen herzustellen, müssen die betreffenden Maßnahmen einen vorübergehenden Charakter haben, verhältnismäßig zu dem verfolgten legitimen Ziel sein und, wie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, regelmäßig kontrolliert werden, um andere Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht übermäßig einzuschränken.

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Virtueller Vorsitz

Aufgrund der Pandemie fanden alle Veranstaltungen über Telekonferenzen und Live-Streaming statt. Damit war der griechische Vorsitz der erste virtuelle Vorsitz in der Geschichte des Europarates. Die Nutzung sozialer Medien, die als Hinweis auf die digitale Plattform des griechischen Vorsitzes verbunden waren, trug dazu bei, den Europarat den Bürgern und insbesondere den jungen Menschen noch näher zu bringen. Der virtuelle Vorsitz wurde nicht nur durch die unbestreitbare Notwendigkeit der Bewältigung der Sanitärkrise auferlegt, sondern erwies sich auch als Gelegenheit, allen Bürgern den Zugang zu Informationen und Wissen zu erleichtern und zu verbessern.

Genauer gesagt fanden während des griechischen Vorsitzes folgende Veranstaltungen statt:

o 77 Telekonferenzen, einschließlich des trilateralen Treffens mit dem Generalsekretär und dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung

o 4 gemeinsame trilaterale Erklärungen mit den Institutionen des Europarates

o 12 Online-Treffen mit Ministern oder stellvertretenden Ministern, um die Prioritäten des griechischen Vorsitzes vorzustellen

o 4 Telekonferenzen mit dem Ständigen Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

o 26 internationale Seminare und Veranstaltungen

o 10 digitale Diskussionen in der Reihe „In Diskussion mit“ und

o 11 wichtige internationale Kulturveranstaltungen

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Prioritäten des griechischen Vorsitzes

Neben den Herausforderungen, die sich aus der Covid-19-Pandemie ergeben, legte der griechische Vorsitz besonderen Wert auf die folgenden spezifischen thematischen Prioritäten:

Α. Bildung und demokratische Kultur im digitalen Zeitalter

Der griechische Vorsitz wollte die Bedeutung des Wissens und der Kenntnis demokratischer Institutionen und europäischer Grundwerte von klein auf hervorheben. Die zahlreichen, von digitalen Technologien angebotene Lösungen und Optionen und die Entwicklung künstlicher Intelligenz gelten als wichtige Instrumente, da sie den Zugang zu Wissen und Informationen erleichtern und verbessern können.

Β. Kinder als schutzbedürftige Personen (von Armut bedroht, Opfer von Gewalt, Menschenhandel, Zwangsarbeit, unbegleitete Minderjährige mit Migrationshintergrund)

Die zweite Priorität konzentrierte sich auf die Notwendigkeit, Kinder vor allen Arten von Risiken zu schützen. Insbesondere in Fällen, in denen sie besonders gefährdete Personen darstellen, indem sie Armut, Gewalt, Menschenhandel, Zwangsarbeit oder jeder anderen Art von Ausbeutung ausgesetzt sind. Der griechische Vorsitz war in Bezug auf unbegleitete Minderjährige mit Migrationshintergrund besonders empfindlich, da eine große Anzahl von Kindern über Migrationsströme nach Griechenland gelangt ist.

C. Wahrung des Rechts jüngerer Generationen, das kulturelle Erbe unberührt von den Auswirkungen des Klimawandels zu genießen

Diese Priorität konzentrierte sich auf die Auswirkungen des Klimawandels auf historische Denkmäler und betonte die Notwendigkeit, ein Bewusstsein für die Wahrung des Rechts jeder Generation zu entwickeln, das kulturelle Erbe zu genießen. Ein Recht, das mit der Verpflichtung einhergeht, dieses Erbe geschützt vor den Auswirkungen des Klimawandels der nächsten Generation zu übergeben.

D. Europäische Sozialcharta – Soziale Rechte im Rahmen des Europarates – Auswirkungen der Pandemiekrise auf das Recht schutzbedürftiger sozialer Gruppen auf Gesundheit als öffentliches Gut

Die vierte Priorität konzentrierte sich auf die Sensibilität und das Engagement, das Staaten, Gesellschaften und Bürger in Bezug auf den Schutz der sozialen Rechte zeigen müssen. Maßnahmen gegen Diskriminierung, Rassismus, Intoleranz, Antisemitismus und Hassreden aller Art müssen kollektiv und organisiert sein. Die Gleichstellung der Geschlechter und die Gleichstellung im Allgemeinen, unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder irgendeinem anderen Grund, müssen konsequent und entschlossen sichergestellt werden.

varvitsiotis euRede des stellvertretenden Aussenministers Miltiadis Varvitsiotis (03.06.2020)/ Quelle: http://mvarvitsiotis.gr/

Ergebnisse des griechischen Vorsitzes

Athener Erklärung

Anlässlich der Feier zum 70. Jahrestag der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Rom am 4. November 1950, legte der griechische Vorsitz die Athener Erklärung, eine neue „Charta“ der Menschenrechte, vor. Die Erklärung, die ein rechtlicher und politischer Text ist, enthält erstmals Leitlinien für den Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Krisensituationen wie einer Pandemie, die als nützliche Notfall-Roadmap für künftige Generationen dient.

Beobachtungsstelle für Geschichtsunterricht in Europa

Der griechische Vorsitz hat auch die Einrichtung der Beobachtungsstelle für Geschichtsunterricht in Europa abgeschlossen, ein wertvolles Instrument im Kampf gegen gefährliche Revisionismen und Versuche, die historische Wahrheit zu verfälschen. Der Hauptzweck der Beobachtungsstelle besteht darin, durch eine Reihe regelmäßiger und thematischer Berichte sachliche Informationen darüber zu sammeln und verfügbar zu machen, wie Geschichte in allen teilnehmenden Ländern gelehrt wird. Ein weiteres Ziel der Beobachtungsstelle ist, den Austausch bewährter Verfahren und das gegenseitige Lernen zu ermöglichen und die Widerstandsfähigkeit gegen Manipulation und Verzerrung der Geschichte zu stärken, um gleichzeitig Frieden und Dialog zu fördern.

Kulturrouten des Europarates durch Griechenland

Kulturrouten

Der Europarat befasst sich nicht nur mit Rechten und Demokratie, sondern auch mit Kulturfragen. Der griechische Vorsitz gab eine elegante Publikation über die Kulturwege des Europarates durch Griechenland heraus. Das vom Europarat 1987 ins Leben gerufene Programm „Kulturrouten“ zeigt auf sichtbare Weise anhand einer Reise durch Raum und Zeit, wie das Erbe der verschiedenen Länder und Kulturen Europas ein gemeinsames kulturelles Erbe darstellt. Diese Ausgabe lädt das Publikum ein, das reiche und vielfältige Erbe Griechenlands und Europas kennenzulernen oder neu zu entdecken und stellt Reisen an Orten mit großer Geschichte und kulturellem Erbe vor. Unter den vorgestellten Routen sind, unter anderem, die Route der Phönizier, die Routen des Olivenbaums, die europäische Route historischer Thermalstädte, die Route des europäischen Industrieerbes, Auf den Spuren der Apostel-Paul-Route und die Route des maritimen Erbes zu finden.

Der Vorsitz des Ministerkomitees des Europarates wird für die nächsten sechs Monate von Deutschland gehalten.

Introbild: Logo des griechischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates/Quelle: https://coegreekchairmanship2020.gov.gr/?lang=en

Originaltext: The ending of the Greek Chairmanship, the first e-Chairmanship, of the Council of Europe in Greek News Agenda

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