Griechenland Aktuell sprach mit dem Filmregisseur Timon Koulmasis, der in Deutschland geboren wurde und heute in Paris lebt, über seinen neuesten Film („Briefe aus Athen – Portrait des Vaters zu Zeiten des Krieges“), der neulich im Rahmen des Dokumentarfilmfestivals von Thessaloniki präsentiert wurde. Vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung in Griechenland (1941-1944) erzählt dieser Film die Liebesgeschichte zwischen seinem Vater, Assistent am geheimnisvollen Deutschen Wissenschaftlichen Institut Athen – welches von der Besatzungsmacht finanziert, in Wahrheit aber ein Refugium des Widerstandes war – und der aus Konstantinopel stammenden Kunststudentin Nelly. Er zeichnet auch das Bild ihres Freundes Rudolf Fahrner, Gründer des Instituts, Intimfreund der Brüder Stauffenberg und einer der wenigen Mitverschworenen des 20. Juli, die die auf den Attentatsversuch auf Hitler folgenden Repression überlebt haben.
Hat Ihr Vater Ihnen oft von der deutschen Besatzungszeit in Griechenland erzählt?
Mein Vater sprach selten von der deutschen Besatzungszeit in Griechenland, die ihn vor unauflösbare Identitätskonflikte gestellt hatte. Er fühlte sich beiden Kulturen zugehörig und war damals sowohl den Deutschen wie den Griechen verdächtig, wurde ja auch von beiden ins Gefängnis geworfen, obwohl er nichts verbrochen hatte. Andererseits war das Leben mit Nelly in Athen und mit Fahrner und den Studenten im Deutschen Wissenschaftlichen Institut für ihn auch eine persönlich und intellektuell außerordentlich aufregende, stimulierende Zeit. Aber viele Erinnerungen sind verschüttet.
Wie hat Ihr Vater das Leben zwischen den zwei Ländern, Deutschland und Griechenland, das Leben zwischen zwei Kulturen, bewältigt?
Mein Vater hat sich immer als Kosmopolit begriffen, eine nationale Identifikation war ihm – gerade wohl auch aufgrund der traumatischen Erfahrungen im Krieg – fremd. Er ist nach dem Krieg dreißig Jahre nicht nach Griechenland gefahren, obwohl er in zweiter Ehe mit einer Griechin –meiner Mutter- verheiratet war. Von Deutschland aus bereisten sie die ganze Welt.
Ihr neuester Film ist die Liebesgeschichte zwischen Ihrem Vater und der aus Konstantinopel stammenden Kunststudentin Nelly
Nelly war die einzige Überlebende, die das Deutsche Wissenschaftliche Institut Athen besucht hat. Ihre Erzählungen sind bedeutende Zeitzeugnisse, die dazu beigetragen, dieses unbekannte Kapitel der deutschen Besatzung zu erhellen.
Was meinen Vater angeht, waren es eher seine Briefe (die Nelly mir anvertraut hat), die es mir erlaubten, meine Kenntnis zu vertiefen. Sie entwerfen ein außerordentliches Bild des Alltages zweier junger Menschen und ihrer Freunde in der Besatzungszeit. Und sie schildern, als er sich am Ende des Krieges nach Deutschland begibt, buchstäblich das Ende ihrer Welt.
In Ihrem Dokumentarfilm haben Sie unbekanntes filmisches Material aus der Besatzungszeit benutzt. Woher haben Sie dieses so bedeutende Filmmaterial?
Ich habe in meinem Film unveröffentlichte, von deutschen Soldaten gefilmte Bilder der Besatzung Griechenlands geschnitten. Ich habe sie nach langen Recherchen bei Privatsammlern in Deutschland gefunden. Diese Bilder zeigen an den selben Orte, im selben historischen Augenblick nicht die selben Dinge, oder doch sehr anders als zum Beispiel die ergreifenden Einstellungen, die Angelos Papathanassiou unter Lebensgefahr zwischen 1941 und 1944 in Athen gedreht hat, die einzigen Bilder, die wir in Griechenland bis dahin kannten. Das Verhältnis zwischen den beiden zu beleuchten, ist hochinteressant.
Wie gehen Sie mit Ihrer doppelten Kultur (deutsch-griechisch) um?
Ich empfinde meine doppelte Kultur als einen Reichtum. Ich stelle mir die nationale Zugehörigkeitsfrage nicht. Da bin ich Sohn meines Vaters geblieben. Ich lebe als in Deutschland geborener Grieche in Frankreich. Ich glaube an die Permanenz der Dinge, ein ethisches Prinzip vielleicht. Und spiegele die Schönheit in Aufnahmen und Worten vom Licht. Das gilt für alle meine Filme.