Es war eine schöne, fruchtbare und multikulturelle Zeit. Es war ohne Zweifel eine Blütezeit, die tragisch und jäh endete: Die Zeit des Griechentums in Kleinasien, die einige Jahrtausende lang gedauert hat. Anlässlich des 100. Jahrestages der Kleinasienkatastrophe im September 1922 präsentieren das Benaki‒Museum und das Zentrum für Kleinasienstudien in einer Ausstellung die Chronik des Griechentums in Kleinasien. Die bedeutende Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von S.A. Katerina Sakellaropoulou, der Präsidentin der Griechischen Republik. Mehr als 1.000 Exponate und über 500 Fotografien machen die Blütezeit des Griechentums vor den Verfolgungen, der dramatischen Zeit von 1919 bis 1923 sowie die Umsiedlung und Integration in Griechenland lebendig.
Der Besucher beginnt seine Zeitreise über Glanz des Griechentums in Kleinasien (erster Abschnitt) von Ionien und den Westküsten aus, dann weiter nach Kappadokien und in die südlichen Provinzen, fährt über den Pontus fort, um nach Westen zurückzukehren. Bei der Gegend um Konstantinopel und in Thrakien endet die Präsentation.
Auf die Blütezeit folgen die Phase der Verfolgungen, das Ende des Ersten Weltkriegs und der Verträge, die Zeit der Landung der griechischen Armee und des Kleinasienfeldzugs, die darauf folgende „Katastrophe“ von 1922 sowie der Exodus der Flüchtlinge im Herbst 1922 (zweiter Abschnitt).
Der dritte und letzte Abschnitt der Ausstellung konzentriert sich auf die Ansiedlung und Integration von über 1,5 Millionen Flüchtlingen in Griechenland. Behelfslager, öffentliche Gebäude und Schulen verwandelten sich in Krankenhäuser und notdürftige Siedlungen. Wohlhabende Familien, die über Nacht buchstäblich alles verloren hatten, prägen das Gesamtbild jener furchtbaren Zeit in den letzten Monaten des Jahres 1922.
Ein Teil des dritten und letzten Abschnitts der Ausstellung ist der Gründung des „Center for Asia Minor Studies“ gewidmet, das im Jahr 1930 durch das Ehepaar Melpo und Octave Merlier ins Leben gerufen wurde.
Diese Chronik wird durch Kunstwerke, Bilder, kirchliche, militärische und persönliche Relikte, Kleidung, Schmuck, Kunsthandwerk, Karten, Fotografien, Archiv- und Filmmaterial, Zeitungen, Briefe, Karten und viele andere Dokumente bereichert. Ergänzt wird die Ausstellung durch Auszüge aus persönlichen Zeugnissen, die die Bilder und stummen Objekte zum Leben erwecken.
Zweifellos ist dies eine Ausstellung, die als nützliches Bildungsinstrument fungiert und die entscheidenden Momente ans Licht bringt, die die griechische Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, entscheidend geprägt haben. Durch das reichhaltige Ausstellungsmaterial wird Licht auf alles Vorangegangene geworfen, auf die nationale Tragödie der kleinasiatischen Katastrophe und auf die Ereignisse danach. Ein bewegender Rundgang durch Zeiten des Wohlstands und der Zerstörung, durch traumatische Erfahrungen und persönliche Zeugnisse, durch Orte, Personen und Schicksale, die eine bewegende Geschichte zu erzählen haben.
Unter den Exponaten der Ausstellung ist auch die Postkarte eines Soldaten namens Christos Karagiannis. Er beschreibt in einem rührenden Ton die dramatischen Ereignisse jener Tage im September 1922: „Ich ging von Bord und setzte meinen Fuß auf griechischen Boden. Im Hafen waren nur wenige Männer, viel mehr waren die Frauen. Mütter, die uns nacheinander ansahen, ob auch ihre Kinder gekommen seien. Sie weinten alle, sie alle fragten: „Vielleicht, mein Kind, hast du zufällig meinen Sohn getroffen, der so und so heißt?“. Die Antwort aller und meine auch war immer gleich, eintönig: „Ich bin wieder da. Alle kommen wieder.“
Die Ausstellung wird im Benaki-Museum in der Piräus‒Straße 138 präsentiert. Sie dauert bis Sonntag, den 12. Februar 2023 an.
„Kleinasien: Glanz – Zerstörung – Entwurzelung – Neuanfang“
Benaki Museum, Piräus‒Straße 138
15.09.2022 – 12.02.2023