Konstantinos Parthenis (1878‒1967) gehört zu jenen legendären Figuren des vorigen Jahrhunderts, die in ihrer Zeit missverstanden wurden, heute jedoch umso mehr aktuell sind. Parthenis ist ohne Zweifel einer der wichtigsten griechischen Maler der modernen griechischen Malerei. Mit seinem bahnbrechenden Werk revolutionierte und reformierte die griechische Malerei, als er vor etwa hundert Jahren, mit seinem ungewöhnlichem Schaffen eine neue, moderne und gleichzeitig klassische Kunst schuf.
Die erste, vollständige Retrospektive, die ihm nun die Athener Neue Nationalgalerie widmet, war eine langgehegte Idee der vor wenigen Tagen verstorbenen Direktorin Marina Lambraki-Plaka. Der unerwartete Tod der ehemaligen Direktorin ist der Grund für die Verschiebung der Eröffnung dieser besonderen Ausstellung, die für den 20. Juni vorgesehen war und nunmehr am 5. Juli erfolgen wird.
Kosmopolitisch, mehrsprachig, mit profunder griechischer Bildung, musikalisch begabt, rätselhaft und zum Schluss völlig vereinsamt, gelang es Parthenis, eine zeitlose Kunst zu schaffen, die sich sowohl von der Antike als auch der heutigen Zeit nährt. In der großen Retrospektive werden allegorische und dekorative Kompositionen, religiöse Werke und Porträts präsentiert, welche lange Zeit nicht mehr gezeigt wurden.
Konstantinos Parthenis: Die Badenden (vor 1919)
Die Ausstellung über Konstantinos Parthenis hat eine besondere Symbolik, da sie der ersten periodischen Ausstellung über „Die Kunst des Porträts in den Sammlungen des Louvre“ folgt. Die Athener Nationalgalerie ist Eigentümerin der meisten Werke, Zeichnungen und Dokumente von Konstantinos Parthenis, die hauptsächlich aus dem Erbe der beiden Kinder des Malers stammen. Erstmals wird die Auswahl aus den Sammlungen des Museums, ergänzt um bedeutende Werke aus privaten und öffentlichen Sammlungen, zur Präsentation des Studiums und der Entwicklung seiner Malerei beitragen. Die Auswahl umfasst voraussichtlich rund 150 Werke künstlerischen Schaffens und der visionären Welt seiner bahnbrechenden Malerei.
Zu den bekanntesten Gemälden gehört das Kunstwerk „Die Apotheose des Athanassios Diákos“ (vor 1933), das dem Helden der griechischen Revolution, Athanassios Diakos (er starb den Märtyrertod am 24. April 1821 nahe der Brücke von Alamána, die sich in der Nähe von Thermopylae befindet) gewidmet ist. Es ist gleichzeitig auch eines der imposantesten Werke von Konstantinos Parthenis.
Konstantinos Parthenis: Die Apotheose des Athanassios Diakos (vor 1933)
Bezeichnend ist, dass das Opfer von Athanassios Diakos den berühmten Maler lange beschäftigte. Er versuchte, die Auferstehung und Himmelfahrt des Helden mit der Auferstehung Christi zu identifizieren, da beide Ereignisse im Frühjahr stattfanden. Links sehen wir eine Gestalt mit Heiligenschein, einen Engel oder einen der Myrrhenträger, der überrascht das leere Grab des auferstandenen Helden entdeckt. In der Mitte ist ein weiterer Engel mit Helm, Speer und Schild, wie eine christliche Athene, beim Wunder anwesend. Athanassios Diakos, gekleidet in eine antike Tunika, erhebt sich zum Himmel, wo musizierende Engel auf ihn warten, und andere, die Lorbeerkränze bringen, um ihn zu krönen.
Im Ausstellungskatalog beschreibt Marina Lambraki-Plaka den großen Maler als „veränderlichen Künstler“ und fügt hinzu: „Das künstlerische Schaffen von Konstantinos Parthenis ist von ständigen veränderlichen Transformationen geprägt. In diesem Bereich ist nur Picasso mit ihm zu vergleichen. Immerhin teilt der Grieche mit seinem spanischen Kollegen ein weiteres seltenes Privileg: Dass es beiden Künstlern gelingt, eine stilistische Konstante aufrechtzuerhalten, einen leicht lesbaren genetischen Code, einen sofort erkennbaren Stil, der ihre facettenreiche Suche durchdringt und vereint“.
Introbild: Konstantinos Parthenis in den 20er Jahren
Konstantinos Parthenis – Die große Retrospektive
Neue Nationalgalerie,
Dauer der Ausstellung: 5.07. bis 28.11.2022