Es begann alles mit einer Schiffsreise, die heute legendär ist. Es war gegen Ende des Jahres 1945 als das Schiff mit dem exotischen Namen „Mataroa“ von Piräus nach Frankreich abfuhr. Auf dem Schiff befanden sich mehrere junge Griechen, die ein französisches Stipendium bekommen haben und Griechenland, wo bereits ein furchtbarer Bürgerkrieg wütete, verlassen durften. Es waren junge Leute, die später eine bedeutende Rolle gespielt haben: Cornelius Castoriadis (1922-1997), Kostas Papaioánnou (1925-1982), Kostas Axelós (1924-2010), Matsi Chatzilazarou (1914-1987), die bedeutende Lyrik schrieb und der Architekt und weltbekannter Komponist Iannis Xenákis (1922-2001).

Cornelius Castoriadis gehört zweifellos zu den bekanntesten Griechen der Diaspora. Er hat sein Leben in Frankreich verbracht und dort eine außerordentliche Tätigkeit entwickelt. Seine Zeitschrift „Socialisme ou Barbarie“, die er nahezu zwanzig Jahre lang leitete, von 1948 bis 1966, hat ihm verholfen, seine ersten Arbeiten zu veröffentlichen und die Zeitschrift zu einem bedeutenden Ideenforum zu machen.

Erst nach den Ereignissen im Mai 1968, welche ganz Europa wachgerüttelt haben, beginnt sein Werk allmählich, auch über die Grenzen Frankreichs, bekannt zu werden. Castoriadis gehört auch zu den Vorreitern der ökologischen Bewegung, die sich gegen Ende der 60er Jahre – Anfang der 70er Jahre formierte und auch in Deutschland rasch an Bedeutung gewann.

Wir verdanken Cornelius Castoriadis viel. Er war ein profunder Kenner der marxistischen Lehre und folglich einer der ersten europäischen Intellektuellen überhaupt, der es wagte, zusammen mit seinem Freund Kostas Papaioánnou, gegen Mitte der 50er Jahre die totalitäre Seite des „Sozialismus“ zu entlarven und ihn scharf zu kritisieren. Auch sein Engagement für eine ökologische Bewegung, in einer Zeit, wo der Begriff „Umweltschutz“ fast unbekannt war, ist bemerkenswert. Begriffe wie die Autonomie, das Radikal- Imaginäre und die Schöpfung hat er erst eingeführt und so das philosophische Denken beträchtlich erweitert. Besonders die Autonomie, die als Hauptthema in seinen ersten Werken erscheint, hat nie aufgehört Castoriadis zu beschäftigen.

kastoriadis2Die Zeitschrift „Socialisme ou Barbarie“, Quelle: Wikimedia Commons

Man kann die Phasen der ersten Entwürfe des Autonomiebegriffs als Selbstverwaltung der Arbeiter, die sich später zu dem noch radikaleren Begriff der Selbstverwaltung der Gesellschaft selbst entwickelt, bis hin zu ihrer endgültigen Fassung als Entwurf der ausdrücklichen Selbstbestimmung des radikal Imaginären erkennen. Allgemein lässt sich sagen, dass der Autonomiebegriff im Mittelpunkt des gesamten Denkens von Castoriadis steht, welcher im Laufe der Zeit viele Wandlungen erfahren hat. Castoriadis sollte bis zum Ende seines Lebens nicht aufhören, die Bedeutung dieses zentralen Begriffs aufzuklären und seine Anwendungen und Grenzen zu erforschen.

Octavio Paz (1914-1998), der große mexikanische Dichter, der im Jahr 1990 den Nobelliteraturpreis erhalten hat, widmete seinem guten Freund Kostas Papaioánnou ein Langgedicht, das den schlichten Titel „Kostas“ trägt. Das Gedicht befindet sich in dem Gedichtband „Árbol adentro“ („In mir der Baum“), der im Jahr 1987 erschien. Hier heißt es: „Du warst Kostas Papaioánnou, ein kosmopolitischer Grieche in Paris, mit einem Fuß in Baktrien, mit dem anderen in Delphi“. Dieser Spruch gilt durchaus auch für Cornelius Castoriadis, der am 26. Dezember 1997 in Paris starb.   (AL)

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