Zwei Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges begannen in Süd-Ost-Europa und den Gebieten des damaligen Osmanischen Reiches kriegerische Auseinandersetzungen. Die sogenannten Balkankriege dauerten zehn ganze Jahre. Sie endeten 1922 mit der Kleinasiatischen Katastrophe.

„Jeden Tag war ich Zeuge des grauenvollen Schauspiels, wie Flüchtlinge sich durch das halb geöffnete Tor zum Kai hinausdrängten … So wurden Söhne von ihren Müttern losgerissen, Männer von Weib und Kind … Überall lagen Tote und Sterbende.“ Der Bericht stammt von der britischen Journalistin Clare Sheridan, einer Cousine von Winston Churchill, welche sich in den Tagen der großen Katastrophe in Smyrna, heute Izmir, Anfang September 1922 aufhielt.

Der Brand von Smyrna bedeutete zugleich den Anfang vom Ende des Griechentums in Kleinasien. Zehntausende wurden brutal vertrieben. Danach ordnete der Lausanner Vertrag eine der größten Zwangsdeportationen der Geschichte an: Mindestens 1,5 Millionen Griechen und etwa 500.000 Türken mussten ihre Heimat verlassen.

Eine der vielen Folgen der kleinasiatischen Katastrophe, die vorübergehende Unterkunft von Flüchtlingen in religiösen Denkmälern, wo sie Schutz fanden, nachdem sie ihre Heimat verlassen hatten, stellt das griechische Außenministerium in der Rotunde von Thessaloniki vor.

Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen des Ministeriums zum 100. Jahrestag der Katastrophe in Kleinasien beherbergt die Rotunde vom 9.September bis zum Ende Dezember 2022 die vom Ephorat für Altertümer der Stadt Thessaloniki organisierte Ausstellung „Thessaloniki 1922: Denkmäler und Flüchtlinge “.

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Die Ausstellung konzentriert sich einerseits auf die Nutzung religiöser Denkmäler als temporäre Unterkunft für Flüchtlinge, andererseits auf den Transport und die Rettung vieler Erbstücke durch die Flüchtlingsfamilien, hauptsächlich tragbarer Ikonen, aus ihren Herkunftsregionen, wie Ostthrakien, Konstantinopel und Kleinasien, mit der erstmaligen Präsentation von 36 Ikonen und religiösen Reliquien.

Die Ausstellung ist in zwei Bereiche gegliedert. Im ersten mit dem Titel „Die Flüchtlinge in den Denkmälern von Thessaloniki“ wird durch reichhaltiges Bildmaterial, Postkarten und Zeitungsausschnitte das Bild der Stadt während des kritischen Jahrzehnts 1912‒1922 eingefangen. Während dieser überaus schwierigen Zeit wurden viele bedeutende Denkmäler der Stadt zu Siedlungsplätzen für viele Flüchtlinge aus Kleinasien zur Verfügung gestellt.

Der zweite Teil der Ausstellung stellt den Feldzug in Kleinasien und insbesondere die Zwangstranspotation der Flüchtlinge aus Ostthrakien sowie die Reise der Flüchtlinge nach Thessaloniki vor.

Viele Flüchtlinge ließen sich in der Oberstadt nieder und bauten einfache Hütten, während andere im Zentrum der Stadt Zuflucht fanden, insbesondere in den Kirchen, in Schulen, Moscheen und Einkaufspassagen (Thessaloniki wurde erst im Anschluss an die beiden Balkankriege von 1912-1913 offiziell Griechenland zugesprochen). Eines der bedeutendsten Flüchtlingszentren war damals die Kirche Panagia Achiropiitos, eines der wichtigsten frühchristlichen Denkmäler der Stadt aus dem 5. Jahrhundert. Zur gleichen Zeit ließen sich zahlreiche Flüchtlinge in Kalamaria, Toumba und Agia Fotini nieder, andere gingen in die Außenbezirke oder errichteten Siedlungen mit Namen zur Erinnerung an die unvergessliche und nunmehr auf immer verlorene Heimat (Kordelio, Menemeni, Xirokrini, Nea Efkarpia, Nea Krini, Nea Michaniona, Nea Magnesia, Sykies, Neapoli, Saranda Ekklesies).

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Bereits 1915, als tausende französische und britische Soldaten im Hafen von Thessalonikian Land gingen, war die Kirche Panagia Achieropiitos, die einzige byzantinische Kirche der Stadt, die bis dahin nicht geweiht worden war, da sie das Byzantinische Museum beherbergen sollte. Nun, im September 1922, verwandelte sie sich in ein Flüchtlingslager für Vertriebene aus den Kriegsgebieten. Achieropiitos war vier Jahre lang die Unterkunft der letzten Flüchtlingswelle von 1922 bis 1926. Danach wurde die Kirche von Grund auf restauriert.

Der zweite Teil der Ausstellung präsentiert auch Relikte, die die Flüchtlinge mitbrachten, welche sie entweder den Kirchen übergaben oder als Erinnerungsstücke aufbewahrten, sowie Bilder und Antiquitäten aus Privatsammlungen. Gleichzeitig kooperiert das Ephorat für Altertümer der Stadt Thessaloniki mit den Metropolien von Thessaloniki, Krini und Kalamaria, Neapolis und Stavroupolis, die für die Ausstellung hauptsächlich von Ikonen sorgten, die in Kirchen unter ihrer Zuständigkeit aufbewahrt werden.

Ausstellungsdauer: bis 31. Dezember 2022

Ort: Rotunde Square Ag. Georgiou, Thessaloniki