„Sie ist die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuhörer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen, sie war immer die Kunst, und sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata“. Dies schrieb die große österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973), als sie Maria Callas in der Mailänder Scala 1956 als Traviata erlebt hat (in: Werke, Bd. 4, S. 342, Piper Verlag, München 1982).
In den 50er Jahren war Maria Callas eine weltberühmte Persönlichkeit. Sie war mehr als eine einmalige Sopranistin oder eine großartige weibliche Opernstimme – eine der größten des vorigen Jahrhunderts,die immer noch heute, viele Jahrzehnte nach ihrem Tod, viele Menschen auf der ganzen Welt begeistert und in ihren Bann zieht. Sie war nicht nur eine große, hochprofessionelle Künstlerin, sondern ein Mensch ohnegleichen.
Sie hat in den 50er Jahren Rollen des gesamten Sopranfachs ebenso wie die für sie passende Mezzopartien einzigartig gesungen. Ihr Wirken dauerte knapp zehn gute Jahre, in der sich ihre Stimme auf dem Höhepunkt befand und diese unvergleichliche Strahlkraft aufwies. Aber in diesen wenigen Jahren, hatte sie ihre legendären Auftritte und die besten Schallplatteneinspielungen wurden aufgezeichnet, welche immer noch heute hochaktuell sind. Die Aufnahmen stammen zumeist aus den Jahren 1949 bis 1964, wobei die wichtigsten aus den 50er Jahren sind.
Maria Callas wurde als Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou am 2. Dezember 1923 in New York geboren. Als Tochter von griechischen Einwanderern verlies sie 1937 nach der Scheidung der Eltern mit ihrer Mutter die USA und kehrte nach Athen zurück, wo sie das Konservatorium besuchte und ihre ersten Auftritte hatte. Im Jahr 1949 heiratete sie den italienischen Unternehmer Giovanni Battista Meneghini, zehn Jahre später begann sie eine Liebesaffäre mit dem griechischen Milliardär Aristoteles Onassis. Am 16. September 1977, leidend und vereinsamt, ist sie in Paris gestorben, wo sie seit den 60er Jahren lebte.
Callas im Garten ihres Hauses in Mailand (1957). Foto von Federico Patellani, Quelle: Wikimedia Commons
Callas stand von 1949 bis 1965 insgesamt 540 Mal in 42 Partien auf der Opernbühne, das erste Mal als Santuzza in einer Studentenaufführung von Cavalleria rusticana am 2. April 1939. Auf einer professionellen Bühne sang sie zum ersten Mal in Athen am 27. August 1942 die Tosca. In dieser Rolle verabschiedete sie sich auch am 5. Juni 1965 in London von der Opernbühne.
Mit ihrer Stimme, die nicht nur ein großes Volumen, sondern Ethos hatte, setzte sie Maßstäbe. Bis heute ist die 1954 eingespielte Arie„Casta Diva“ aus der Oper „Norma“ von Bellini eine Sternstunde von Maria Callas. Sie schuf damit etwas Dauerhaftes, Gültiges. Die Schönheit dieser Callas-Interpretation ist, wie fast einstimmig die Kritiker sagen, nahezu zeitlos.
Sie hinterließ ein großes und bedeutendes musikalisches Vermächtnis für die Nachwelt. Von 1952 an bis zu ihrem Abschied von den Opernbühnen mit der Tosca-Aufführung am 5. Juli 1965 im Royal Opera House Covent Garden in London hat sie viele ihrer großen Partien auf Schallplatten aufgenommen. Ihre Schallplatten und CD᾿s verkaufen sich immer noch millionenfach.
Aufführung von „Norma“ (Bellini) im antiken Theater von Epidauros (1960) mit Maria Callas in der Titelrolle. Quelle: Griechische Nationaloper
„Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals“, schreibt Ingeborg Bachmann in dem obengenannten Text, „sondern auf der Rasierklinge gelebt… Alle, die ihr die Rollen geschrieben haben, von Verdi bis Bellini, von Rossini bis Cherubini, hätten in ihr nicht nur die Erfüllung gesehen, sondern weitaus mehr… Sie war das letzte Märchen, die letzte Wirklichkeit, deren ein Zuhörer hofft, teilhaftig zu werden“. (AL)
Introbild: Maria Callas, Quelle: ERT
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