Aus dem Prolog der „Odyssee“:

 

O Sonne, großes Ostgestirn, du goldne Haube meines Geists,

ich setz dich gern verwegen mir aufs Ohr, zu Spiel und Abenteuer.

Solang du glänzt, solange glänz auch ich, und unser Herz sei Freude.

Gut deucht uns diese Erde, sie gefällt uns; schwebt sie doch, o Gott,

im lichten Blau wie die gewellte Traube, die sich im Sturme wiegt,

und alle luftgen Geister kommen, alle Vogel, um zu naschen.

Kommt, lasst uns naschen wie die Vögel, Freunde, dass der Geist sich labe.

Und in der großen Kelter zwischen beiden Schläfen trete ich

die frischen, saftgen Beeren, bis der wilde Most beginnt zu gären

und sich der Kopf mit Dampf und mit Gelächter füllt im klaren Tage.

Wiegt sich die Erd im Sturm, auf Windesflügeln? Tanzt der Geist?

Beginnt das Schicksal schon, das dunkeläugige, sein trunknes Lied?

Dort oben glänzt des Himmels Sturmgewalt, und unter mir mein Leib

spielt wie die Möwe mit dem Wogenwall, vom kühlen Schaum erfrischt.

Die Nasenflügel atmen salzge Gischt, und Wog auf Woge stürzt

sich über meine Schultern, gleitet fort, und gleitend folg ich mit.

O Sonne, große Sonne, die du hoch dort wandelnd niederschaust,

ich sehe die Piratenmütze, die des großen Burgzerstörers;

lasst uns, im Spiel, ihr Tritte geben, dass wir sehn, wie weit sie sauset!

Zeit, wisse, gehet stets im Kreise, und das Schicksal lauft auf Rädern.

Hoch thront des Menschen Geist und lasst sie wirbeln frei nach Wohlgefallen.

Die Erde lassen wir, mit einem Schleudertritt, hinunterrollen.

O Sonne, die du Aug mir bist im Spiel, mein rothaariger Spürhund,

wittre das Wild, das ich begehre, jag ihm nach und sage mir

all das, was du auf Erden siehst, und alles, was dein Ohr vernimmt,

dass ichs in der geheimen Werkstatt meines Herzens läutere.

Und sieh, im Spiel und im Gelächter und im zärtlichglühnden Streicheln

geschieht der Wandel: Steine, Wasser, Feuer, Erde werden Geist.

Die erdversunkne, schwere Seele steigt ganz sanft empor zum Licht,

wie eine heitre Flamme steigt sie auf und schwindet in der Sonne!

 

Übersetzung: Gustav A. Conradi