EIN INTERVIEW ÜBER DIE ÖFFENTLICHE DIPLOMATIE (PUBLIC DIPLOMACY) UND DIE NATION BRANDING FRÜHER UND HEUTE

Lebenslauf  

Stavros Stathoulopoulos wurde in Kalamata im Jahr 1948 geboren und er hat dort seine Schulzeit verbracht. Studiert hat er Geschichte und Archäologie als Stipendiat an der Kapodistrian Universität der Philosophischen Fakultät von Athen. Nach dem Diplomabschluss, leistete er seinen 34 Monate dauernden (wegen der damaligen Zypernkrise) Militärdienst als Verwaltungsoffizier bei der griechischen Luftwaffe ab. Anschließend studierte er weiter Geschichte an der Universität München und unterrichtete parallel am griechischen Gymnasium der Otto König Gesellschaft, Sprachen und Literatur. In den Jahren 1992-1994 war er auch als Dozent an der Fakultät Neugriechischer Sprache und Literatur der Universität Ankara und später an der Nationalen Ausbildungsstätte für Öffentliche Verwaltung (2008-2009) in Athen tätig.

Seine diplomatische Karriere begann er als Presseattaché der Griechischen Botschaft 1977 in Bonn.  Im weiteren Verlauf seiner diplomatischen Karriere übernahm er als Botschaftsrat die Position des Direktors für das Presse- und Öffentlichkeitsbüro der Griechischen Botschaft in Ankara von 1990 bis 1996, sowie von 2010 bis 2012, in Bonn von 1996 bis 1999 und in Berlin von 1999 bis 2005.  In den Jahren 2005 bis 2008 leitete er vorübergehend auf Bitten des Tourismusministeriums das Büro der griechischen Tourismuszentrale in München.

In den Jahren 2008-10 war er am Presseamt in Athen tätig; in dieser Zeit hat er das wöchentlich erscheinende Magazin (Griechenland Aktuell) ins Leben gerufen. Gleichzeitig veranstaltete er – und wirkte als Generalsekretär der Union der griechischen Presseattachés –  eine Reihe von Konferenzen, u.a. mit Schwerpunkt das Bild Deutschlands und die Kommunikationsdimension mit der Türkei ( Forum Διεθνούς Επικοινωνιακής Πολιτικής » Blog Archive » Ημερίδα της ΕΝΑΤ και της Γερμανικής Πρεσβείας με Θέμα: «Η Δημόσια Εικόνα της Γερμανίας», Forum Διεθνούς Επικοινωνιακής Πολιτικής » Blog Archive » Ελλάδα – Τουρκία: Η Διάσταση της Επικοινωνίας )

Nach seiner Pensionierung im Jahr 2012 hat er sich in Hamburg niedergelassen und  ist weiter der Herausgeber des „Griechenland-Portal“ und betätigt sich noch gelegentlich als Artikelschreiber oder Kommentator in TO VIMA (z.B.: H γερμανόφωνη «Μαύρη Αθηνά» – TO BHMA), Übersetzer und Publikationsberater von Büchern wie beispielsweise als Lektor für die Übersetzung und das Vorwort des Buches „Ithake, Peloponnes, Troja“ von Heinrich Schliemann ins Griechische. (ΙΘΑΚΗ, ΠΕΛΟΠΟΝΝΗΣΟΣ, ΤΡΟΙΑ / SCHLIEMANN HEINRICH (politeianet.gr))

Ferner hat er für eine Reihe von Büchern und Image-Zeitschriften des griechischen Presseamtes zur Präsentation und Außendarstellung Griechenlands in der Welt und die Außenpolitik des Landes mitverfasst und die Herausgabe veranlasst, wie „Greece in the World“, (1998/99, englisch, Französisch und Deutsch) „Athen 2004“, anlässlich der olympischen Spiele 2004 (Deutsch) und „Griechenland – Ein Portrait”, eine zusammenfassende Präsentation Griechenland (2003 und 2004, in deutscher Sprache).  Er wurde mit dem deutschen Verdienstkreuz am Bande geehrt für die Förderung der Deutsch- Griechischen Beziehungen.

Es folgt das Interview.

1.  Was war Ihre Inspiration für die Gründung der deutschsprachigen Plattform „Griechenland aktuell“ im Jahr 2008;

 Als ich aus Deutschland zurück nach Athen in die Zentrale des Presseamtes kam, musste ich feststellen, dass die Institution über kein offizielles Instrument verfügte, welches zu einem besseren Verständnis zwischen Griechenland und dem deutschsprachigen Raum beitragen konnte!  Im Oktober 2008 war es dann soweit. Die erste Ausgabe eines offiziellen wöchentlichen Bulletins auch in deutscher Sprache, war mit der tatkräftigen Unterstützung von jüngeren Kollegen (wie Sotiris Krystallis, Christina Chrysanthakopoulou, Artemis Saraki und Eleni Petrou) erschienen; Anfangs wurde wöchentlich eine gedruckte 8seitige Ausgabe herausgegeben. Bei aktuellen und wichtigen Themen wurden auch Sonderausgaben gedruckt.  Später erschien „Griechenland aktuell“ unter dem digitalen Schirm der englischsprachigen Greek News Agenda und ab 2015 wird das Projekt mit einer eigenen Homepage (https://www.graktuell.gr/) und unter kompetenter Unterstützung eines ausgezeichneten Redaktionsteams weitergeführt.  Heutzutage wird es auch über die sozialen Medien verbreitet, das ist Teil der Digitalen Diplomatie.

Die Plattform bietet Nachrichten, Analysen und Interviews an, welche das politische, wirtschaftliche, geschäftliche, soziale und kulturelle Geschehen in Griechenland darstellen.

Griechenland Aktuell zielt darauf ab, die internationale Öffentlichkeit über die Entwicklungen in Griechenland zu informieren sowie Analysten und Journalisten sachlich fundierte Informationen bereit zu stellen.  Innenpolitische und gesellschaftliche Themen, die das Land beschäftigen, nach außen zu transportieren und Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis über aktuelle politische und intellektuelle Diskussionen in und über Griechenland anzubieten und somit ein modernes Verständnis über das Land zu fördern.

2. Sie verfügen aufgrund Ihrer langjährigen Tätigkeit in den diplomatischen Vertretungen Griechenlands im Ausland, in Presse- und Informationsbüros bzw. Kommunikationsbüros über wertvolle Erfahrungen.  Wie würden Sie das Konzept und die Rolle der öffentlichen Diplomatie (Public Diplomacy) definieren?

„Public Diplomacy“ kann als „Kommunikationsprozess“ einer Regierung mit nicht nur staatlichen Akteuren, sondern auch mit der Bevölkerung anderer Staaten verstanden werden, mit der Absicht, Verständnis zu schaffen für die Vorstellungen und Ideale des eigenen Landes, seiner Einrichtungen und Kultur wie auch dessen nationalen Ziele und aktuellen politischen Leitlinien.

Heutzutage bestehen weitere Möglichkeiten ein Land nach außen zu präsentieren und die Innen- und Außenpolitik transparent zu vermitteln nicht nur durch die tägliche Pressearbeit der Regierung und der Botschaften, sondern zunehmend über die vorhandenen Social Media Auftritten der Vertretungen und diverser anderer Info-Kanäle.

Diese „Digital Diplomacy“ erfordert eine ausgeklügelte Online-Strategie der Botschaften bezüglich der neuen Medien wie Facebook und Twitter, Tik Tok etc., da sie sich zunehmend mit Fake News auseinandersetzen müssen. Die Botschaften werden vielmehr als „Serviceeinrichtungen“ fungieren mit einem starken Social Media relevanten Fokus.

Beim Besuch des griechischen Präsidenten Konstantinos Stefanopoulos. Neben ihm steht der Botschafter Konstantinos I. Ailianos.

3. Wie sah der Tagesablauf des Leiters und der Mitarbeiter eines Presse- und Kommunikationsbüros zu dieser Zeit aus?

Es gab zwei Richtungen: Kommunikation nach Innen und nach außen. Zuerst mussten die Zentrale und der Botschafter morgens so früh wie möglich per Telex und per Fax/Mail informiert werden, durch eine ins Griechische übersetzte Zusammenfassung mit den wichtigsten Themen aus der deutschen Presse, die sich auf Griechenland direkt oder indirekt bezogen.

Anschließend Richtung Öffentlichkeit des Gastlandes: Anfragen per Post oder per Telefon zu beantworten, Überarbeitung von Veröffentlichungen, Vorbereitung von Pressemitteilungen sowie Vorträgen, Meetings mit Pressevertretern, Stellungnahmen, Organisation von Besuchen aus Griechenland von Pressevertretern und Journalisten, Weiterleitung diverser Anträge und Gesuchen wie beispielsweise Erlaubnisse, wenn Filmszenen internationaler Produktionen in besonderen griechischen Stätten gedreht werden sollten, oder Interviewgesuche griechischer Journalisten mit deutschen Gesprächspartnern und umgekehrt organisieren und vieles mehr oft ambulant zu bewältigen.

4. Sie sind ein Verfechter von Technologie und Innovation.  Als Leiter des griechischen Presse- und Informationsbüros in Bonn und Berlin waren Sie führend auf dem Gebiet der Technologie und Innovation. Sie waren einer der Ersten – wenn nicht sogar der Erste -, der eine Website eingerichtet hat, um Griechenland in der deutschsprachigen Öffentlichkeit bekannt zu machen.  Αußerdem haben Sie prägnante Publikationen über Griechenland in verschiedenen Sprachen, sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form, erstellt.  Sind Sie der Meinung, dass ein wichtiger Teil der öffentlichen Diplomatie heute in der digitalen Welt praktiziert wird oder werden sollte?

Ein sehr wichtiger Teil sogar.  Social Media ist ein sehr wichtiges Instrument für die tägliche und ad hoc Kommunikation. Anfangs waren wir euphorisch über die vielen Möglichkeiten, die Social Media bietet. Inzwischen erkennen wir auch die Risiken der Desinformation. Wir sollten jedoch vermeiden, ein idealisiertes und stereotypisches Bild des Landes darzustellen, vielmehr sollen wir den Wandel im Dialog forcieren und die Möglichkeiten in der Wirtschaft und Gesellschaft darstellen. Griechenland durchläuft eine Metamorphose von einer traditionellen und konservativen Gesellschaft zu einer modernen, digitalen Wirtschaft. Das sollte besser zur Diskussion gestellt werden.

5. Welche sind die allgemeinen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, über die ein moderner Beamter bei der Ausübung der öffentlichen Diplomatie am Hauptsitz und im Ausland verfügen sollte?

Nicht jeder mit einem ausgezeichneten Universitätsabschluss ist für eine solche Tätigkeit geeignet. Zusätzlich zu den erforderlichen Kenntnissen wie Sprachen, internationales Recht, Medienkompetenz usw. ist die wichtigste Voraussetzung Kommunikationsfähigkeit mit anderen Menschen zu haben und ein extrovertierter Charakter zu sein. Analytische Fähigkeiten sind von großem Vorteil und Dienst nach Vorschrift gibt es nicht.  Man soll bereit sein, jederzeit bei wichtigen Anlässen einzuspringen und auch gesellige Veranstaltungen nicht zu meiden und wie man auf Deutsch sagt, keinen Stacheldraht in der Hosentasche

6. Was war die wichtigste Erinnerung, die Sie bisher aufgrund eines Vorfalls oder Ereignisses oder des Krisenmanagements in einem Land, in dem Sie gedient haben, behalten haben?

Unangefochten an erster Stelle würde ich die die Konfliktnacht mit der Türkei wegen der Inseln Imia nennen, in deren Verlauf um 01:30 am 31.01.1996 als Botschaftsrat für Presse und Kommunikation in Ankara als erster über die Landung türkischer Truppen auf der westlichen Insel der Gruppe informiert wurde. Ich habe sofort dann diese Nachrichten nach Athen übermittelt. Der ganze Ablauf ist in einem umfassenden Artikel von mir in der Zeitung Kathimerini wiedergegeben.

Man muss gute Beziehungen zu den Kommunikationsverantwortlichen und der Presse des Gastlandes pflegen und unterhalten. Nur so ist man in der Lage schnell wichtige Nachrichten zu erfahren.

Publikationen des Presse- und Informationsbüro der Griechischen Botschaft in Bonn/Berlin (DE)

GR in der Welt/Greece in the World/La Grèce dans le monde wurde unter der Aufsicht des ehemaligen Professors der Panteion-Universität, späteren Diplomaten und heutigen Ehrenbotschafters Herrn Alexandros Katranis veröffentlicht.

7. Was denken Sie als Grieche, der seit einigen Jahren in Hamburg lebt, über das Image Griechenlands in Deutschland?

Das allgemeine Bild Griechenlands hat sich sehr positiv entwickelt in der letzten Zeit, nach den schwierigen Jahren der Krise.  Das Vertrauen in die Stabilität des Landes und dessen Institutionen hat sich spürbar gewandelt und so sehen wir, dass Deutsche sich in Griechenland wieder niederlassen wie Start Up Gründer, Beschäftigte im Home Office oder Pensionäre und Rentner. Es wird aber immer noch als wirtschaftlich nicht auf Augenhöhe mit anderen EU-Ländern gesehen. Jetzt mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Deutschland hoffen wir auf ein weiteres Verständnis für Länder, die Krisen durchleben. 

8. Definieren Sie das heutige Griechenland in einem Satz.

Ein schönes und lebenswertes Land mit reicher historischer und kultureller Vergangenheit, das langsam aber stetig in die Moderne schreitet, treu den Werten, die dieses Land der westlichen Welt vermachte. (KL)

Siehe auch die Begrüßung von Stavros Stathoulopoulos für GR-Aktuell am 30. September 2015

// Nach einer langen Vorbereitung und einer Reihe von Probeexemplaren, war es in Oktober 2008 soweit.  Die erste Ausgabe eines offiziellen wöchentlichen Bulletins auch in deutscher Sprache, war erschienen; was schon längst fällig war.

Als Initiator und Verantwortlicher dieses Projektes war ich damals sehr froh, ein engagiertes und eingespieltes Redaktionsteam aus jüngeren deutschsprachigen Kollegen zu haben.

Heute – nach einer einjährigen Pause wegen Organisationsumstrukturierung – wird das Projekt fortgesetzt sogar mit einer eigenen Homepage und einer verstärkten Redaktionsmannschaft. Der Neustart verspricht damit ein Erfolg zu werden. Das GR-Aktuell wird sich zu einem nützlichen Instrument für ein besseres Verständnis zwischen Griechenland und dem deutschsprachigen Raum Europas entwickeln.

Dabei wünsche ich selbstverständlich viel Glück.

Stavros Stathoulopoulos, Hamburg //

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