Theo (Thodoros) Angelopoulos hat, wie kaum ein anderer Kinoregisseur, das griechische Kino in den letzten Jahrzehnten nachhaltig geprägt. Angefangen mit seinem ersten Langfilm „Thiassos“ („Die Wanderschauspieler“) bis zu seinem letzten Film „Der Staub der Zeit“, der im Jahr 2008 entstanden ist, blieb Angelopoulos seinen Prinzipien und Werten treu.
Geboren in Athen am 17. April 1935 als Sohn eines Parfümhändlers und einer zutiefst religiösen Mutter, begann er 1953 an der Athener Universität ein Jurastudium, das er wenige Jahre später abbrach. Er siedelte nach Paris um, wo er an der Universität Sorbonne Literatur studierte und Vorlesungen des zu jener Zeit berühmten Claude Lévy-Strauss hörte. Hauptsächlich besuchte er eifrig die Filmvorführungen an der Cinémathèque und wurde auf das neue französische Kino „Nouvelle Vague“ aufmerksam.
Für ein Jahr besuchte er das „Institut des hautes études cinématographiques“, das er wieder verlassen musste, weil er sich mit einem Professor heftig gestritten hatte. Ab 1964 lebte er in Griechenland und arbeitete zunächst als Filmkritiker, eine Karriere, die nach dem Beginn der Militärdiktatur im Jahr 1967 aufhören musste. Nach seinem eigenen ersten Kurzfilm („Die Sendung“, 1968) gelang es ihm, trotz der strengen Zensur, den Film „Anaparastasi“ („Rekonstruktion“, 1970) zu drehen.
Der Durchbruch gelang ihm allerdings mit einer großangelegten Filmtrilogie: „Tage von 1936“ (1972), „Die Wanderschauspieler“ (1975) und „Die Jäger“ (1977). Alle drei Filme gelten als die Geburtsstunde des neuen griechischen Kinos. Vor allem das Werk „Die Wanderschauspieler“ gehört zu den besten Filmen des vorigen Jahrhunderts.
Mit der Trilogie entwickelte Theo Angelopoulos seine eigene Filmsprache. Langsamkeit, so dass die Zeit sich ausdehnt, die Phänomene und die Begebenheiten zum Ausgangspunkt machen, aber nach der Tiefe suchen, wo der eisige Wind der Geschichte weht und alles mit sich reißt, die zwischenmenschlichen Beziehungen und immer wieder die Geschichte Griechenlands des vorigen Jahrhunderts und die Geschichte der Balkanländer prägen seine Welt.
Mit seinem nächsten Film „Der große Alexander“ (1980) gewann er in Venedig den „Goldenen Löwen“. Damit fing die internationale Anerkennung an, die ihm später mehrere Auszeichnungen, Ehrungen und Preise brachte. „Der große Alexander“ zeigt einen Revolutionär und Befreiungskämpfer, der zum Verstummen neigt und sich allmählich zu einem Tyrannen entwickelt, eine nüchterne und deutliche Allegorie auf die gespenstischen Machtstrukturen der kommunistischen Ära.
Die in den achtziger Jahren entstandene „Trilogie des Schweigens“ („Reise nach Kythira“, 1984; „Der Bienenzüchter“, 1986; „Landschaft im Nebel“, 1988), erzählt einzelne Lebensgeschichten und Schicksale, in denen sich die Geschichte Südosteuropas deutlich hindurch scheint. Mit dem Film „Der schwebende Schritt des Storches“ (1991) widmet er sich dem Migrationsthema, dem Schmerz und dem Verlust. „Der Blick des Odysseus“ (1995), mit internationalen Schauspielern besetzt —wie fast alle seine Filme—, ist eine Reise auf dem Balkan und eine Zeitreise in die Geschichte des vorigen Jahrhunderts.
Für diesen Film wurde Angelopoulos auf dem Filmfestival in Cannes mit dem „Großen Jurypreis“ ausgezeichnet. Der nächste Film „Eine Ewigkeit und ein Tag“ (1998) wurde ebenfalls beim Filmfestival in Cannes präsentiert. Er erhielt die „Goldene Palme“, einen langersehnten Preis, der den Höhepunkt seiner erfolgreichen Filmkarriere markiert. „Die Erde weint“ (2004) und „Der Staub der Zeit“ (2008) setzen die Thematik des Krieges und der Migration fort, Themen, welche nicht nur im vorigen Jahrhundert beheimatet sind.
Sein folgendes Filmprojekt „Das andere Meer“ konnte er nicht mehr realisieren. Die Finanzkrise, die seit Ende des Jahres 2009 in Griechenland wütete, war die Hauptursache für den unvollendeten Film. Am 24. Januar 2012, noch während der Dreharbeiten zu diesem Film, starb Theo Angelopoulos beim Überqueren einer Straße in einem Athener Vorort.
(AL)