Zacharias Zacharakis, Redakteur im Ressort Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ZEIT ONLINE
(Seit Mai 2011 Redakteur von ZEIT ONLINE. Davor Korrespondent für „Financial Times Deutschland“ und „NZZ am Sonntag“ in New York. Eingestiegen in das Nachrichtengeschäft bei Associated Press in Hamburg. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule und der Universität Köln)
Interview mit „Griechenland Aktuell“
1 Als Journalist griechischer Abstammung ist es Ihrer Erfahrung nach einfacher oder schwieriger über die Griechenland-Krise in deutschen Medien zu schreiben?
Ich empfinde es sicherlich als einfacher über die Krise zu berichten, da ich mich wegen meiner Griechischkenntnisse besser in die Details einarbeiten und auch Interviews auf Griechisch führen kann. Natürlich hilft auch das Wissen über das Land und seine Menschen sehr, wenn ich mich vor Ort auf Recherchen begebe. Die meisten deutschen Journalisten müssen sich damit häufig erst bekannt machen und benötigen für Ihre Arbeit eine landeskundige Assistenz und einen Übersetzer. Bisher ist es mir von unseren Lesern meist nicht negativ angelastet worden, dass ich wegen meiner griechischen Abstammung womöglich zu parteiisch über die Krise berichten würde.
2 Glauben Sie, dass die Berichterstattung deutscher Medien über die Griechenlandkrise größtenteils ausgeglichen und objektiv war?
Aus meiner Sicht hat die Krise die deutschen Medienlandschaft zuletzt in zwei Seiten gespalten. Die eine Partei hat sich gegen den Sparkurs gestellt und eine Lockerung des Programms gefordert, die andere Seite plädierte für eine weiterhin strenge Sparpolitik oder anderenfalls einen Austritt aus der Eurozone. Dazwischen war nur wenig Bewegung. Allerdings halte ich jene Gruppe für durchsetzungsstärker, die den Kurs der deutschen Bundesregierung unterstützt hat, was letztlich auch die öffentliche Meinung in dieser Frage stark geprägt und bestimmt hat.
3 Nennen Sie bitte Persönlichkeiten und Ereignisse, die Ihrer Meinung nach in der letzten Dekade die Sichtweise Ihrer Leser in Bezug auf Griechenland besonders beeinflusst haben
Sicherlich waren die Spitzenpolitiker der griechischen Regierung in der deutschen Öffentlichkeit viel präsenter als in den Jahren zuvor, das fing mit Georgios Papandreou und Evangelos Venizelos an und endet nun mit Yanis Varoufakis und Alexis Tsipras. Aber auch Kulturschaffende wie Petros Markaris oder Mikis Theodorakis sind in Interviews in Deutschland stärker gehört und um Rat gefragt worden. Dabei bewegte sich die Aufmerksamkeit für die Probleme in Griechenland in Wellenbewegungen, wie wir am Interesse unserer Leser auch feststellen konnten. Das erste Programm, die Debatte um den Schuldenschnitt und die Ereignisse des Jahres 2015 waren die herausragendsten Momente in dieser Entwicklung.
4 Wie schätzen Sie die öffentliche Debatte zur griechischen Staatsschuldenkrise in den letzten zehn Jahren ein? Würden Sie heute von einem verbesserten Bild des Landes in der deutschen Öffentlichkeit sprechen?
Nein, insgesamt würde ich eher das Gegenteil feststellen. Das Griechenland-Bild hat sich in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verschlechtert, wenn auch nicht wenige Menschen eine andere Sicht haben und durchaus Verständnis für die Situation vor allem der normalen Menschen in Griechenland aufbringen. Die Mehrheit in Deutschland ist dennoch meiner Beobachtung zufolge der Auffassung, dass Griechenland für seine Probleme vor allem selbst verantwortlich sei und dankbar für die finanzielle Unterstützung der EU sein solle. Wer jedoch mehr über das Land weiß, Griechenland eventuell auch schon besucht hat, kann sich meist ein differenziertes Bild von der Lage verschaffen und verfällt nicht zu eilfertig in pauschale Urteile.
5 Glauben Sie, dass Griechenland nach dem Abschluss des dritten Programms im August dieses Jahres gute Wachstumsaussichten hat?
Das Wichtigste ist, dass den Unternehmen und Privatleute jetzt für die nächsten Jahre mehr Planungssicherheit gegeben wird, vor allem was die Steuerbelastung im Land angeht. Sicherlich hat sich die Lage wieder insgesamt sehr stabilisiert und das positive wirtschaftliche Umfeld in der EU sollte auch dazu beitragen, dass Griechenland bessere Wachstumschancen hat.